Schule um 1920

Unser Schulsystem geht im Prinzip auf das beginnende letzte Jahrhundert zurück. In Krisensituationen wie der Corona-Krise sind es die Benachteiligten im System, die besonders darunter leiden.

Unter dem Titel „Pädagogischer Flurschaden“ habe ich über die Auswirkungen in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar dazu verfasst. Hier zum Nachlesen:

Der Landesverband der Elternvereinigungen an höheren Schulen in Salzburg hat sich weit hinausgelehnt: Bildungsminister Martin Polaschek wurde letzte Woche zum „sofortigen Rücktritt“ aufgefordert. Polaschek hatte zuvor in der „Pressestunde“ die Aufrechterhaltung der Corona-Maßnahmen an Schulen angekündigt und auch gemeint, er werde an der verpflichtenden mündlichen Matura festhalten.

Die Lage ist schwierig: hohe Infektionszahlen, massive Personalausfälle bei den Lehrkräften, ganze Klassen, die geschlossen werden müssen, seit über zwei Jahren kein bisschen Normalität. Corona hat das gesamte Schulsystem an die Belastungsgrenze geführt.

Es gilt daher, Druck von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zu nehmen, wo dies möglich ist − etwa beim Thema mündliche Matura. Zurecht verweisen Betroffene darauf, dass es heuer für die Zentralmatura sehr unterschiedliche Bedingungen gibt, je nachdem, wie viel Unterricht ausgefallen ist. Deshalb war letztes Jahr nur die schriftliche Matura verpflichtend. Heuer ist die Situation ganz sicher nicht besser. Es sei daher ein „Ausdruck von Realitätsverlust“, wenn der Minister weiterhin an der „obligatorischen mündlichen Maturaprüfung“ festhalte − so die Elternvertretung.

Schon vor der Pandemie gab es in unserem Bildungssystem Probleme. Sie wurden seither massiv verstärkt. So etwa in den Kindergärten, wie die mehr als nur berechtigten Proteste der Pädagoginnen letzte Woche wieder deutlich gemacht haben.

Die Bildungsexpertin Heidi Schrodt hat zudem schon zu Beginn der Pandemie darauf hingewiesen, dass Österreich schon allein wegen der viel zu frühen Trennung der Kinder mit zehn Jahren „ein besonders hohes Maß an Bildungsungerechtigkeit“ aufweist. Das wird jetzt noch verstärkt, obwohl es beeindruckend ist, wie Lehrkräfte weit über das normale Ausmaß hinaus bereit sind, sich mit viel Einfallsreichtum über das normale Maß hinaus zu engagieren.

Es sind leider die Benachteiligten in unserem Schulsystem, die es am härtesten trifft. Kindern an Brennpunktschulen kann im Quarantäne-Fall zuhause häufig kaum geholfen werden, oft fehlen geeignete Arbeitsplätze, Tablets oder starke Internetverbindungen. Der Rückstand zu den „Zugpferden“ vergrößert sich für diese Kinder dadurch zusätzlich.

Der Erziehungswissenschaftler Stefan Hopmann warnt daher vor einem „pädagogischen Flurschaden“ für unsere „ohnehin schwer gebeutelte Gesellschaft“. Wir sind gefordert, diesen Schaden möglichst gering zu halten und unnötigen Druck aus dem System zu nehmen. Dazu gehören Fördermaßnahmen vor allem für die Benachteiligten im Schulsystem. Dazu gehört aber auch Verständnis für jene, die kurz vor der Matura stehen und darauf hinweisen, dass faire Prüfungen derzeit wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen schlicht nicht möglich sind.