Es ist zu befürchten, dass die überfällige Bildungsreform auch in diesem Wahlkampf nur ein Randthema sein wird. Es gibt aber ganz kleine Hoffnungsschimmer. Unter dem Titel „Schule und Ideologie“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Der Reformbedarf des österreichischen Schulsystems ist unter Fachleuten unbestritten. In Vorarlberg hat Schul-Landesrätin Barbara Schöbi-Fink in den VN von einem „neuen Anlauf für die gemeinsame Schule“ gesprochen. NEOS und Grüne pochen ebenfalls darauf. Auch die SPÖ ist prinzipiell dafür. Es wäre erfreulich, wenn Bildung im Landtagswahlkampf ein – seiner Bedeutung entsprechendes – zentrales Thema würde.

„Vorarlberger FPÖ für gemeinsame Schule und Ganztagsschule“. Dieses Zitat überrascht, denn Bitschi & Co sind derzeit als einzige gegen eine Reform. Das Zitat ist dennoch richtig, aber 15 Jahre alt. Damals hatte die FPÖ im Landtag mit der Volksschuldirektorin Silvia Benzer als Bildungssprecherin noch eine ausgesprochene Fachfrau, die Schulsysteme analysieren konnte.

Und es gibt viele Vorbilder. Finnland, Estland oder Südtirol sind weitgehend bekannt. Weniger bekannt ist diesbezüglich Polen, das Ländern wie Österreich bei internationalen Überprüfungen wie dem Pisa-Test weit überlegen ist. In Polen existiert eine ganztägig geführte gemeinsame Schule für die ersten acht Jahre, Bildungsexperten wie Maciej Jakubowski, Direktor des Instituts für Bildungsforschung in Warschau, fordern sogar ein weiteres Jahr.

Ideologie ablegen

Auffallend: Über alle Parteigrenzen und ideologischen Positionen hinweg ist die gemeinsame Schule in kaum einem Land infrage gestellt. Bei uns hingegen dominiert auf Bundesebene in bildungspolitischen Debatten leider immer noch die Ideologie und nicht der Sachverstand. Dabei ist seit Jahrzehnten offenkundig, dass Österreich trotz der gymnasialen Unterstufe weder im Spitzenbereich noch im untersten Leistungsbereich mit den führenden Ländern – etwa mit Südtirol – mithalten kann.

In keinem (!) anderen Land – außer teilweise in Deutschland – werden Kinder so früh getrennt wie bei uns. Das ist mit ein Grund dafür, warum unser Schulsystem weltweit eines der teuersten ist. Dennoch ist es wenig leistungsfähig und benachteiligt zudem sozial an sich schon benachteiligte Kinder massiv. Das bestätigt eine im Auftrag des Bildungsministeriums erstellte Studie: „Das österreichische Schulsystem ist durch ein hohes Ausmaß an Chancenungleichheit gekennzeichnet, und der sozialen Herkunft kommt bei der Entstehung dieser Ungleichheiten eine zentrale Rolle zu.“

Wollen wir uns weiterhin eines der teuersten Schulsysteme leisten mit unterdurchschnittlich vielen Spitzenleistungen und überdurchschnittlich vielen Problemkindern? Oder sollen alle Kinder in unseren Schulen eine faire Chance erhalten? Gelingt es den Verantwortlichen, ideologische Scheuklappen abzulegen und eine grundlegende Schulreform anzupacken? Der von Schöbi-Fink angekündigte Schulversuch einer gemeinsamen Schule ist zu begrüßen, aber noch reichlich unkonkret. Dennoch: Die Hoffnung auf eine sinnvolle Reformvariante lebt, die Skepsis aus leidvoller Erfahrung aber leider auch.