23. November 2020

Schule der Privilegierten

2020-11-23T09:11:27+01:0023.11.20, 9:11 |Kategorien: Bildung|Tags: |

Vergessen wir auf unsere Zukunft? Man könnte es glauben, denn das Thema „Bildung“ brennt unter den Nägeln, scheint aber nur im Zusammenhang mit dem Corona-Virus oder in der schwammigen Soft-Variante der Neos („beste Bildung“ …) auf. Das Problem liegt aber tiefer: Es ist das Bildungssystem – um es mit dem Bildungswissenschaftler Karlheinz Gruber zu sagen.

Dazu mein Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ unter dem Titel „Schule der Privilegierten“, hier zum Nachlesen:

Letzte Woche jubelte nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa: Die Firma BioNTech soll schon Ende Dezember einen Impfstoff gegen das Corona-Virus ausliefern können. Die EU hat sich 300 Millionen Dosen des Biontech-Mittels gesichert. Man spricht von einer Sternstunde der deutschen Wissenschaft.
Dabei war Glück im Spiel, denn die Schullaufbahn der beiden türkischstämmigen Entwickler war holprig. Dr. Uğur Şahin berichtet, dass er eigentlich nicht auf das Gymnasium hätte gehen dürfen. Sein – deutscher – Nachbar intervenierte erfolgreich für ihn. Heute sind wir alle froh darüber.
Schulsystem ändern?
Im Rahmen der „Montforter Zwischentöne“ fand am Freitag eine Diskussion über unser Schulsystem statt. Natürlich gibt es dazu sehr unterschiedliche Zugänge und vor allem die Frage: Soll man wirklich 150 Jahre alte Strukturen verändern? Man soll, denn das bestehende System ist ineffizient und ungerecht, weil es Kinder aus privilegierten Familien zusätzlich begünstigt.
In Österreich spielen die Noten in der Volksschule die Hauptrolle bei der Entscheidung. Es ist aber durch Studien vielfach belegt, dass Kinder aus bildungsfernen Familien auch bei gleicher Leistung schlechter benotet werden. Das geschieht nicht aus Bösartigkeit, sondern weil die Erwartungshaltung bei der Leistungsbeurteilung unbewusst mitspielt.
Nicht nur deshalb ist die Prognosequalität von Ziffernnoten bescheiden. Glaubt wirklich jemand, man könne die Bildungslaufbahn eines nicht einmal zehnjährigen Kindes solide vorhersagen? Das ist schlicht nicht möglich.
In Arbeitszeugnissen würde Manager denn auch nie einfallen, ihre Arbeitskräfte mit Ziffernnoten zu beschreiben. Dort werden erbrachte Leistungen und Stärken möglichst präzise ausgeführt. Insbesondere Lehrkräfte an Volksschulen haben das auch erkannt und aussagekräftige Beurteilungsformen eingeführt. Leider wurde das zuletzt „von oben“ abgedreht.
Zählt nur die Leistung?
Das Phänomen der Begünstigung schon Privilegierter ist altbekannt. In schöner Offenheit hat dies der ehemalige britische Premierminister und Literatur-Nobelpreisträger Winston Churchill beschrieben. Er schreibt in seinen Memoiren, dass er bei der Aufnahmeprüfung für eine Privatschule nur ein leeres Blatt mit seinem Namen abgegeben hat. Das genügte und er wurde aufgenommen, denn sein Großvater war der Herzog von Marlborough.
Herzöge gibt es bei uns nicht mehr, aber dem Druck von wortgewältige Rechtsanwälten, Ärztinnen, Architekten oder Lehrkräfte können sich Lehrkräfte an Volksschulen oft nur schwer entziehen. Arbeiter oder Putzfrauen tun sich da um einiges schwerer.
In kaum einem Land gibt es noch – wie in Deutschland und Österreich – die viel zu frühe Trennung von Kindern mit zehn Jahren. Es ist Zeit, diesen Anachronismus zu beenden und Kinder in der Volksschule nicht weiterhin einem unsinnigen Druck auszusetzen.

E-Mail wurde erfolgreich kopiert
E-Mail wurde erfolgreich kopiert
E-Mail wurde erfolgreich kopiert
16. November 2020

Über Defizite unseres Bildungssystems

2020-11-16T17:43:12+01:0016.11.20, 11:53 |Kategorien: Bildung|Tags: , , |

 

Die Lehrerin und Journalistin Melisa Erkurt ist als Kind mit ihren Eltern aus Bosnien nach Österreich gekommenund hat hier studiert. Damit ist sie eine Ausnahme.

In ihrem Buch „Generation Haram“ schildert sie eindrucksvoll die Defizite des österreichischen Bildungssystems. Es ist nicht von Ideologie geprägt, sondern zweigt in pragmatischer und konstruktiver die Schwachstellen des Systems und Lösungswege.

Allheilmittel allerdings gibt es keines. Wie kann man vorgezeichnete Schicksale von Kindern aus bildungsfernen Schichten – meist, aber nicht immer mit migrantischem Hintergrund – durchbrechen? Wie kann man Sprachkompetenz fördern, wie kann man das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen stärken?

Was mir gefällt (und in der Bildungspolitik abgeht), ist Erkurts Schlussfolgerung: Nicht die Kindern und Jugendlichen müssen sich ändern, sondern das System Schule.

27. Oktober 2020

Wien: Machtpolitik oder Zukunftsprojekt?

2020-10-27T14:39:44+01:0027.10.20, 14:39 |Kategorien: Bildung|Tags: , |

Bürgermeister Ludwig kündigt also eine „Zukunftskoalition“ mit den Neos an. Sein gutes Recht. Dass ich damit keine Freude habe, ist eindeutig mein Problem. Der neoliberale Wind in Wien wird hoffentlich nur ein Lüftchen werden. Ob es Wien, der SPÖ und den Neos gut tun wird? Ein paar Anmerkungen meinerseits.

Man kann sich natürlich die Augen reiben, wenn eine zehnjährige erfolgreiche Koalition, bei der beide Partner aus Wahlen gestärkt hervorgegangen sind, beendet wird. Aber so sind nun mal die Spielregeln einer Demokratie.

Die zentrale Frage lautet: Was ist die inhaltliche Botschaft, die nun von der Wiener SPÖ ausgesendet wird? Was soll die „Zukunftskoalition“ anders machen als die bisherige? Und warum war dieser Wechsel des Partners notwendig?

Die Bildungspolitik? Die Neos haben ja in Sachen Bildungspolitik versprochen, dass alles besser wird mit ihnen. Konkret geworden sind sie aber leider nicht – das hat übrigens Tradition. Wie also steht es mit der zentralen Forderung nach der Gemeinsamen Schule. Wir haben das weder in Wien noch im Bund durchgesetzt. Ich habe das immer beklagt.

Aber bei den Neos ist nicht einmal klar, ob sie das überhaupt wollen. Sie haben uns diesbezüglich jedenfalls weder im Bund noch in der Stadt unterstützt und waren bei diesem Thema ziemlich kleinlaut und ist in keinem Wahl- oder Parteiprogramm zu lesen. Wenn die Gemeinsame Schule aber kommt oder zumindest Schritte in diese Richtung – prima! Mehr Wahlfreiheit bei der Schulwahl? Das würde Benachteiligte noch weiter benachteiligen. Warten wir mal die Verhandlungen ab. Ich hoffe aber, dass nicht die Privatschulbetreiber die großen Gewinner sein werden.

Übrigens: Ich gestehe: Ergebnis mit der ÖVP im Bund war ebenfalls nicht berauschend. Aber ich habe das immer deutlich gesagt und die Probleme sowie die Lösungsvorschläge sehr konkret benannt.

Oder geht es vor allem um die Verkehrspolitik? Sicher ist: Die Grünen Initiativen waren natürlich nicht jedermanns Sache. Die roten Bezirkskaiser in den sogenannten Wiener Flächenbezirken beklagten ja regelmäßig, dass das Auto zurückgedrängt wurde. Und sie hatten recht. Der Autoverkehr in Wien wurde zugunsten von Öffis und Fahrrad zurückgedrängt. Wer das nicht gut findet, hat mit Rot-Pink jetzt sicher eine Freude. Aber kann sich die SPÖ hier einen Politik-Wechsel erlauben?

Oder gibt’s andere Schwerpunkte? Wegen des weiterhin dringend erforderlichen Ausbaus von Grünflächen und Radwegen wird Ludwig wohl kaum die Neos ins Boot geholt haben. Geht’s gar um Privatisierungen? Kommt jetzt „Westbahn statt ÖBB“ auf Wienerisch? Was soll anders gemacht werden? SUV-Parkstreifen statt Begegnungszonen – das kann’s im 3. Jahrtausend wohl nicht mehr sein!

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr…

Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments…