28. November 2022

Politische Heuchelei

2022-11-28T08:23:31+01:0028.11.22, 8:12 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , , |

Nein, in meinem Kommentar geht es nicht um Sebastian Kurz, sondern ein generelles Problem unserer Geselschaft und eine zentrale Frage: Wann müssen oder können die Verantwortlichen in der Politik moralische Maßstäbe anlegen und wann nicht? Eindeutig beantworten lässt sich die Frage wohl nicht. Es gibt aber offenkundige Heuchelei. Unter dem Titel „Moral und Politik“ habe ich in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar dazu verfasst.

Zurecht ist die Empörung groß: Der verbrecherische russische Angriffskrieg ist ein eklatanter Bruch des Völkerrecht. Er bringt Tod und Elend in die Ukraine. Auch in Russland selbst führt der Krieg zu immer stärkeren Repressionen gegen wirkliche oder auch nur vermutete Gegner des Putin-Regimes. In ganz Europa, vor allem aber im Osten unseres Kontinents, ist die Angst vor einer Ausweitung des Kriegs groß.

Ob die vor allem von den USA, der EU und Großbritannien verhängten Sanktionen wirklich die beabsichtige Wirkung erzielen, sei dahingestellt. Als Ausdruck moralischer Entrüstung sind sie allemal verständlich. Oder steckt etwas anderes dahinter? Ist die Entrüstung glaubwürdig?

Zweierlei Maß

Im Jemen tobt seit sieben Jahren ein von Saudi-Arabien angezettelter Krieg. Mit dabei sind Länder wie Ägypten, Bahrain, Kuwait, die Arabischen Emirate und weitere Staaten der Region. Ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Laut UN sind bislang fast 250.000 Tote zu beklagen, darunter viele Kinder. Ziel ist es, die sunnitischen Kräfte gegen die schiitischen zu unterstützen.

Es war daher konsequent, dass das EU-Parlament in einer Resolution ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien gefordert hat. Das bleibt allerdings seit Jahren weitgehend folgenlos. Im Gegenteil: Die Angreifer werden durch die USA und europäische Staaten wie Frankreich oder Großbritannien sogar unterstützt.
Wo bleibt der Aufschrei in Europa? Ist der Jemen schlicht zu weit entfernt, um bei uns trotz des unglaublichen Elends im Land die Entrüstungsspirale in Gang zu setzen? Oder sind Länder wie Saudi-Arabien oder die Golfstaaten als Lieferanten von Öl und Gas schlicht zu wichtig?

Beispiel Türkei

Zuwenig Beachtung findet bei uns derzeit auch der seit einigen Tagen stattfindende völkerrechtswidrige Angriff der Türkei auf die weitgehend autonomen kurdischen Gebiete in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Als Begründung gibt die Türkei an, aus diesen Regionen hätten jene Unterstützung erhalten, die für den Terroranschlag mit sechs Toten in einer Istanbuler Einkaufsstraße verantwortlich seien. Beweise oder auch nur Indizien dafür gibt es nicht einmal ansatzweise.
Politische Beobachter halten innenpolitische Gründe als Ursache für die Angriffe für viel wahrscheinlicher: Präsident Recep Tayyip Erdoğan wolle angesichts der im nächsten Jahr stattfindenden Präsidentenwahl von der katastrophalen Wirtschaftslage mit einer Inflationsrate von über 85 Prozent ablenken. Mehrere hundert Tote durch die türkischen Bombardements fallen da offensichtlich nicht so ins Gewicht.

In der Presseschau der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung war dazu zu lesen: „Zynismus und Heuchelei. Doppelte Standards. Die Türkei tut das, was Russland in der Ukraine tut, nur in kleinerem Maßstab.“ Moral in der Politik?

1. Oktober 2022

Wir haben ein Gerechtigkeitsproblem!

2022-10-03T09:25:55+02:0001.10.22, 12:22 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , |

Alle Statistiken belegen es: Seit Jahren werden bei uns die Armen ärmer und die Reichen reicher. Starke Impulse und vor allem Initiativen hin zu einer solidarischen Gesellschaft fehlen derzeit aber weitgehend. Da sind Politik und Zivilgesellschaft gleichermaßen gefordert. Unter dem Titel „Arm und Reich“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Vor über 150 Jahren hat Franz Michael Felder das Buch „Arm und Reich“ geschrieben. Der Roman hat damals vielen insbesondere im Bregenzerwald Mut gemacht: Die Welt kann gerechter gemacht werden, wenn Menschen zusammenhalten und solidarisch handeln. Die Gesetze des Kapitalismus sind nicht in Stein gemeißelt und können neu geschrieben werden.

Der Roman ist aktueller, als man vermuten könnte. Wie damals öffnet sich auch heute die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker. Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Und wo sind die Impulse für eine solidarische Gesellschaft?

„Von Angst durchfressen“

Derzeit greift Angst um sich. Angst vor den Auswirkungen des massiven Klimawandels, Angst vor der Ausweitung des Angriffskrieges in der Ukraine und der Drohung mit der Atomwaffe, Angst vor einem „kalten Winter“ und angesichts der vielen Unsicherheiten die Angst vor Armut. Die Inflation hat Ausmaße erreicht, die in den letzten Jahrzehnten nicht mehr vorstellbar waren.

Die Wahlen zuletzt in Schweden und Italien haben gezeigt, wie vor allem extrem rechte Parteien in so einer Situation Erfolg haben können. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die folgenden politischen Verwerfungen in Deutschland und vielen anderen Ländern lassen grüßen. In einem soeben erschienenen bemerkenswerten Buch erklären die Ökonomen Markus Marterbauer und Martin Schürz, wie derzeit mit dieser von Neoliberalen und Populisten geschürten Angst Politik gemacht wird.

Lösung in Sicht?

Die beiden Ökonomen plädieren für den Aus- statt Abbau des Sozialstaats. Ist das finanzierbar? Ja, sagen sie: Wenn der Staat Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Sozialhilfe so erhöhen würde, dass die betroffenen Menschen nicht mehr armutsgefährdet sind, kostet das gerade einmal zusätzliche zwei Prozentpunkte der jetzigen (!) Sozialausgaben.

Und wer soll das bezahlen? Laut Marterbauer gibt es in Österreich 49 Milliardärsfamilien mit einem Vermögen von insgesamt 170 Milliarden. Davon geht prozentuell im Vergleich zur Steuerleistung einer durchschnittlich verdienenden Arbeitskraft kaum etwas an den Staat. Wenn man aber allein das Vermögen der Milliardäre mit einem einzigen Prozentpunkt besteuern würde, könnten beispielsweise die Mittel für die Sozialhilfe verdoppelt werden. Keine Angst mehr vor materieller Not, Demütigung und Abwertung für etwa 200.000 Menschen!

Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse der letzten Jahre haben allesamt gezeigt, wie die Superreichen in Österreich mit ihren Parteispenden für eine ihnen gemäße Wirtschafts- und Steuerpolitik gesorgt haben. Es ist Zeit für die Solidarisierung der großen Mehrheit, damit der demokratiegefährdende Einfluss der Superreichen beschränkt wird und für diese Gruppe endlich Vermögens- und Erbschaftssteuern eingeführt werden. Ein neuer Franz Michael Felder wäre dabei hilfreich.

18. September 2022

Reiche zahlen zu wenig!

2022-09-19T08:59:02+02:0018.09.22, 10:38 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , |

Reiche Eltern für alle – das geht sich leider nicht aus. Mehr Gerechtigkeit aber schon: Große Erbschaften und Vermögen müssen in Österreich endlich ordentlich besteuert werden, wenn wir den sozialen Frieden in unserem Land absichern wollen. Dazu habe ich unter dem Titel „Sozialstaat sichern!“ in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Eine gerade publik gewordene Studie im Auftrag der „Bertelsmann-Stiftung“ zeigt, dass in Deutschland eine breite Mehrheit für eine höhere Besteuerung von Reichen und Superreichen ist. Beteiligt war auch das wirtschaftsnahe Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut, das – wie die Süddeutschen Zeitung süffisant feststellt – „nicht im Verdacht linker Umtriebe steht“.

In Österreich ist die Situation ähnlich. Die Diskussionen über die diversen Krisen von Corona bis zum immer offensichtlicher werdenden Klima-Desaster verdecken allerdings derzeit den Blick auf die Frage, wer künftig die steigenden staatlichen Ausgaben zur Bewältigung all dieser Krisen bei gleichzeitiger Sicherung des Sozialstaats bezahlen soll und kann. Eines ist klar: Der Anteil der Reichen und Superreichen am Steueraufkommen muss steigen.

Reich und Arm

Kaum beachtet wurde leider ein Nationalbank-Bericht über die Vermögensungleichheit. Die Studie hat es in sich. Sie zeigt, wie sich in der Pandemie die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert hat. Die Kernbotschaft: Das reichste Prozent – und somit Menschen, die auf über zwei Millionen Euro zurückgreifen können – besitzt bis zu 50 Prozent des Gesamtvermögens, die reichsten zehn Prozent gar bis zu 75 Prozent.

Wie wird man so reich? Arbeiten allein wird nicht ausreichen. Die Autoren der Studie haben daher geschaut, wie die Menschen zu ihrem Reichtum gekommen sind. Und das Ergebnis ist eindeutig: hauptsächlich durch Erbschaften.

Wir stehen vor riesigen Herausforderungen – weit über die Auswirkungen der Corona-Pandemie hinaus. Eine Pflegereform mit finanzieller Besserstellung des Personals steht ebenso an wie eine Bildungsreform und der ökologische Umbau der Infrastruktur. Zudem steht der Sozialstaat vor großen Herausforderungen.

Gerechteres Steuersystem

Auf unser Pensionssystem können wir ebenso stolz sein wie auf die Krankenversorgung in unserem Land – trotz aller neoliberalen Polemik dagegen. Aber auch ein funktionierendes öffentliches Bildungssystem, bezahlbare und gut ausgebaute Verkehrsmittel sind unabdingbar. Das alles bringt Sicherheit vor allem für Menschen am unteren Ende der Einkommensskala.

Ein intakter Sozialstaat ist auch im Interesse der Wohlhabenden. Auch sie verlieren an Lebensqualität, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren geht und sich Zustände breit machen wie in vielen anderen Regionen der Welt: „Gated Communities“ beispielsweise, also durch Zäune abgesicherte und von Sicherheitspersonal bewachte eigene Wohnviertel für die Reichen. In den USA leben inzwischen 3,2 Prozent der Bevölkerung in solchen Siedlungen.

Wer sich heute gegen eine gerechte Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sträubt und eine entsprechende Steuerreform verhindert, riskiert soziale Unruhen und heftige Verteilungskämpfe. Das kann kein vernünftiger Mensch wollen.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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