5. Oktober 2020

Driftet die türkise ÖVP ab?

2020-10-05T09:25:27+02:0005.10.20, 9:23 |Kategorien: Gesellschaft, Menschenrechte, Parteien|Tags: , , |

Türschild ÖVP neu

Sebastian Kurz hat der ÖVP in den letzten drei Jahren einen strammen Rechtskurs verordnet und ihn mit der FPÖ in der Regierung beinhart umgesetzt. Mit den Grünen wurde das schwierig, denn irgendwann ist Schluss mit „geschluckten Kröten“.

In einem Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ bin ich unter dem Titel „Wo ist politisch die Mitte?“ auf die zunehmend schwieriger werdende Situation eingegangen. Hier zum Nachlesen:

Für eingefleischte „Schwarze“ war der Verlust des Bürgermeister-Sessels in Bregenz vor einer Woche ein schwer verdaulicher Tiefschlag.

Hat das überregionale Bedeutung? Büßte Markus Linhart gar für die rechtslastige Politik der Bundes-ÖVP?

Der Politologe Peter Filzmaier jedenfalls sieht in der Bregenzer Wahl ein Symptom für einen Trend: Die türkise ÖVP gewinnt zwar im ländlichen Bereich Stimmen dazu, das bürgerlich-liberale Klientel in den Städten aber gehe verloren – das gelte speziell bei jüngeren Menschen.

Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel sprechen von einer „anständigen Mitte-Rechts-Politik“. Was verstehen sie darunter? Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer und hochrangiger ÖVP-Funktionär, zeigte sich im „Falter“-Interview von dieser Aussage „geschockt“. Er verlangt von seiner Partei eine weltoffene Politik und vermisst die humanitäre Komponente.

„Kanzler ohne Milde“

Falter-Herausgeber Armin Thurnher nennt Sebastian Kurz den „Kanzler ohne Milde“ – eine Anspielung auf den ehemaligen Bundeskanzler Ignaz Seipel. Sogar der Wiener Boulevard zeigte sich zuletzt Kurz-kritisch. Die „Kronen-Zeitung“ spricht von einem „eiskalten Kanzler“ und „kalten Propagandisten der Emotionslosigkeit“. Der ÖVP-Chef wird daran erinnert, dass auch seine Großmutter am Ende des Zweiten Weltkriegs als Flüchtling nach Österreich kam und seine Familie in den 1990er-Jahren Flüchtlinge aus Jugoslawien aufgenommen hat.

Sogar der deutsche Innenminister Horst Seehofer und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder – beide stramm rechtskonservativ – schütteln den Kopf, wenn sie auf die österreichische Flüchtlingspolitik angesprochen werden. Sie verlangen ausgerechnet von den Grünen, auf Kurz einzuwirken. Ironie der Geschichte?

Wie auch immer: Die Forderung trifft sicher eine wunde Stelle des kleinen Koalitionspartners: Für die Grünen wird die Haltung des Kanzlers nämlich zunehmend zum Problem. Zumal sie von Sebastian Kurz noch weitere dicke Kröten serviert bekommen: Die Fortsetzung der jahrzehntelangen Reformverweigerung im Bildungsbereich, die steuerliche Verschonung einer ganz kleinen Gruppe von Superreichen oder die inakzeptable Vorsitzführung durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Untersuchungsausschuss kann die Grüne Klientel auf Dauer nicht akzeptieren.

Eine neue „Mitte“?

Man darf gespannt sein, ob sich die Einschätzung Filzmaiers bei der Wien-Wahl bestätigen wird: Verschiebt sich die „Mitte“ weiter nach rechts? Erreichen ÖVP, FPÖ und die Strache-Partei jene über 40 Prozent vom letzten Urnengang im Jahr 2015? Oder gar mehr? Ist die ÖVP zu weit nach rechts abgebogen und bleibt unter den hochgesteckten Erwartungen? Profitieren davon die Neos? Oder SPÖ und Grüne?

Eines ist klar: Im Gegensatz zu Bregenz hat die Wiener Wahl am kommenden Sonntag ganz sicher überregionale Bedeutung.

15. Juni 2020

ÖVP-Financiers und das Finanzamt

2020-06-15T12:06:27+02:0015.06.20, 11:38 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft, Parteien|

Unter dem Titel „Der Fall Pierer“ habe ich in einem Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ verlangt, dass die Großspender der ÖVP und das illegale Vorgehen des Finanzministeriums bei der Suche nach Informanten aus dem Ministerium aufgeklärt werden muss:

Die Finanzierung der Wahlkämpfe von Sebastian Kurz hat in den letzten Jahren immer wieder für Diskussionen gesorgt. Besondere Brisanz erhielt das Thema, als der SPÖ-Abgeordnete Jan Krai­ner 2017 pikante Details aus dem Steuerakt von KTM-Chef Stefan Pierer preisgegeben hat. Denn die Spur führte indirekt zur ÖVP.

Doch der Reihe nach: Krainer hatte aufgedeckt, dass Pierer in den Jahren 2012 und 2013 Einkommensteuern in Höhe von gerade einmal 2779 und 2642 Euro bezahlt hatte. Wie kann das sein? Der Chef eines „Milliarden­unternehmens“ zahlt weniger Steuern als jeder Arbeitnehmer seiner Firma?

Brisanz erhielt der Fall zudem, weil Pierer einer der Großsponsoren von Sebastian Kurz war und der ÖVP allein im Wahljahr 2017 436.000 Euro zukommen hat lassen. Das ließ Spekulationen blühen. Haben Pierer und die anderen Großspender Gegenleistungen für ihre Großzügigkeit erhalten? Im Fall Pierer wurde berichtet, dass er im Finanzministerium auf einer „Abschleicherliste“ geführt werde. Er stand somit im Verdacht, vor dem Inkrafttreten eines Steuerabkommens mit Liechtenstein heimlich Geld nach Österreich transferiert und sich so Millionen an Steuern erspart zu haben. Dadurch wurde auch das Interesse an anderen ÖVP-Geldgebern geweckt. Auf der Liste des Finanzamtes sollen insgesamt 19.200 Personen stehen. Es ging um 3,34 Milliarden Euro.

In Tirol hat etwa die aus Tourismusverantwortlichen und Großindustriellen bestehende „Adlerrunde“ zur selben Zeit wie Pierer 1,1 Millionen Euro an die ÖVP gespendet. Sprachrohr dieser Runde ist der Nationalratsabgeordnete Franz Hörl. Der Hotelier ist zuletzt im Zusammenhang mit der Coronakrise unrühmlich in Erscheinung getreten.

Nach Überprüfungen durch das Finanzamt erhielt der Fiskus von den über drei Milliarden nur mickrige 66,27 Millionen. Viele Betroffene hatten nämlich von den Ermittlungen offensichtlich Wind bekommen und gerade noch rechtzeitig dafür gesorgt, dass die Sache glimpflich für sie ausging. Wurden sie gewarnt? War alles legal?

Illegale Suche

Sicher illegal war jedenfalls etwas anderes. Der damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling ließ 2017 nämlich nicht etwa den Steuerakt Pierer prüfen, sondern brachte eine Anzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein und nahm damit die Aufdecker ins Visier. Das hauseigene Büro für Interne Angelegenheiten wurde damals beauftragt, mittels „Rasterfahndung“ den Informanten Krainers zu finden.

Am Samstag nun berichteten mehrere Medien mit Berufung auf die Datenschutzbehörde darüber, dass das Vorgehen des Finanzministers illegal war. Glauben wegen solcher Vorgänge 58 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher, dass Korruption bei uns weit verbreitet ist?

27. April 2020

Schreit alles nach Neuwahlen?

2020-04-27T10:58:30+02:0027.04.20, 10:56 |Kategorien: Allgemein, Parteien|Tags: |

Das meint zumindest Johannes Huber in einem Kommentar. Der in diese Richtung interpretierte Vorstoß des Vorarlberger Landeshauptmannes zuletzt war jedenfalls entbehrlich.

Hier mein Kommentar zum Thema in den „Vorarlberger Nachrichten“:

Demokratische Zumutung

Auf Angela Merkel ist in schwierigen Zeiten Verlass. Die deutsche Bundeskanzlerin findet meist nicht nur die richtigen Worte, sondern lässt auch Taten folgen. Die derzeitige Situation beschreibt sie als „demokratische Zumutung“, die vorsichtig, aber stetig in Richtung Normalität zu verändern sei.

Und Österreich? „Rückkehr zur Normalität: Regierungssprengung ab 15. Mai wieder möglich!“ Das hat am vergangenen Mittwoch das Satireportal „Die Tagespresse“ geschrieben. Landeshauptmann Markus Wallner hat am nächsten Tag in einem „VN“-Interview die türkis-grünen Regierungsübereinkommen in Land und Bund infrage gestellt. Wallner sprach von einer „neuen Agenda“ und kündigte Einsparungen im Sozialbereich und beim Klimaschutz an.

Wallners Vorpreschen hat österreichweit Aufsehen erreget, Neuwahlspekulationen waren in vielen Medien die logische Folge. Johannes Huber („All das schreit nach Neuwahlen“) schrieb in einem Gastkommentar sogar schon von einem möglichen „Superwahltag 11. Oktober“ mit Nationalrats- und Wiener Gemeinderatswahlen. Keine Satire also, wie „Die Tagespresse“ gemeint hat?

Keine neue Normalität!

Doch nicht nur Wallners Vorstoß verunsichert viele. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz wandelt politisch auf gefährlichen Pfaden. In einer seiner zahllosen Pressekonferenzen hat er zu verstehen gegeben, dass es „kein Zurück in die Normalität“ geben werde, sondern eine „neue Normalität“. Umgehend sprach Christian Rainer im „profil“ zurecht von einer „gefährlichen Drohung“.

Demokratie und Rechtsstaat funktionieren auf der Grundlage von Verfassung und Gesetzen. Man mag es dem Zeitdruck zuschreiben, dass die Regierung in den letzten Wochen einige Erlässe veröffentlicht hat, die einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben. Das wurde von Opposition und Medien zurecht kritisiert.

Sebastian Kurz hingegen hat diese notwendige Kritik lapidar als „juristische Spitzfindigkeit“ abgetan. Das hat Verfassungsrechtler und sowohl den amtierenden als auch den Alt-Bundespräsidenten auf den Plan gerufen. In wohltuend unaufgeregter Weise hat Heinz Fischer in einem ZiB2-Interview ein verfassungs- und gesetzeskonformes Handeln eingemahnt. Und Alexander van der Bellen stellte unmissverständlich klar, dass die jetzigen Einschränkungen der Grundrechte „mit einem Ablaufdatum versehen sein“ müssen. Nix da mit „neuer Normalität“!

Ungarische Verhältnisse?

Man muss die „neue Normalität“ zwar nicht gleich mit „Ausnahmezustand“ übersetzen, wie das FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl getan hat. Gefährlich aber ist das Spiel mit solchen Begriffen allemal, wie das Beispiel Ungarn zeigt. „Ungarische Verhältnisse“ wollen bei uns wohl die wenigsten.

Der „Corona-Schock“ hat in den letzten Wochen viele vom eigenständigen Denken abgehalten. Dazu beigetragen haben auch einige Medien, die statt kritischer Berichterstattung auf Huldigung umgestellt haben. Es ist zu hoffen, dass beides kein Dauerzustand wird.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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