In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Moderne Sklaverei“ darauf hingewiesen, dass die derzeitige Pandemie schreckliche Zustände auf dem heimischen Arbeitsmarkt deutlich gemacht hat. Es gibt massiven Handlungsbedarf!

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„Moderne Sklaverei“

Die Coronakrise hat nicht nur in Deutschland und Österreich erschreckende Geschäftspraktiken offengelegt.

Stundenlöhne von vier Euro in österreichischen landwirtschaftlichen Betrieben, desolate Quartiere für die vornehmlich in Osteuropa angeworbenen Arbeitskräfte, Arbeitszeiten bis zu 14 Stunden – und das in der Erntezeit nicht selten sieben Tage in der Woche. All diese Fakten sind von den Medien aufgegriffen worden. Sie erinnern an die Zeiten des unkontrollierten und menschenfeindlichen Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts.

Unzumutbare Bedingungen

Die unerträglichen Bedingungen sind nicht auf die Landwirtschaft beschränkt. In Deutschland wurden allein beim Fleischverarbeiter Tönnies über 1500 der 6500 Arbeitskräfte mit dem Virus infiziert. Die Männer und Frauen stammen größtenteils aus Polen und Rumänien. Der Hausmeister eines der Tönnies-Wohnsilos meinte zu den Lebensbedingungen: „Die schlafen im Drei-Schicht-Betrieb mit bis zu zehn Mann in einer Drei-Zimmer-Wohnung.“ Die horrende Miete beträgt zwischen 250 und 300 Euro für das Bett.

Tönnies musste für gut einen Monat geschlossen werden. Vergangenes Wochenende – kurz nach Wiedereröffnung – wurden erneut 30 Mitarbeiter positiv getestet. Solange sich an den Wohnverhältnissen nichts ändert und an den Arbeitsbedingungen nur wenig, wird sich das Ansteckungsrisiko nicht vermeiden lassen.

Von der Unzumutbarkeit solcher Lebensbedingungen ganz zu schweigen. Der katholische Pfarrer einer betroffenen Gemeinde bezeichnete die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen als „moderne Sklaverei“.

Corona-Cluster

Österreich ist keineswegs eine „Insel der Seligen“. Vorarlberg auch nicht. Die in der letzten Woche bekannt gewordenen Corona-Cluster in Oberösterreich, Wien und im Ländle sind meist nicht zufällig Unterkünfte von Leiharbeitskräften, Schlachtbetriebe oder andere Einrichtungen, in denen schlecht bezahlte Menschen unter unwürdigen Bedingungen arbeiten oder wohnen.

In Zeiten der Pandemie sind das wahre Virenschleudern und die Skandale rücken ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Endlich diskutieren wir darüber, ob wir bei uns solche Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse wie jene der Bauarbeiterunterkunft in Frastanz wirklich dulden dürfen oder ob die Behörden nicht früher kontrollieren sollten und gegebenenfalls härtere Strafen notwendig sind.

Die Gewerkschaften fordern richtigerweise gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Nur so kann verhindert werden, dass sich der mitten in der EU entstandene menschenunwürdige Arbeitsmarkt weiter etabliert und zudem als Brandbeschleuniger für die aktuelle Pandemie und andere Seuchen wirkt.

Wir leben im Jahr 2020 und nicht mehr im 19. Jahrhundert!