Es ist ein Kreuz mit dem Religionsunterricht. Am Donnerstag hat in der „Presse“ der Erziehungswissenschaftler Marian Heitger ein Plädoyer für einen „straffen“ Religionsunterricht abgeliefert: „Eine Frage der Haltung„. Einige Kernthesen zum Religionsunterricht im Original:
„Seine Aufgabe ist die Vermittlung der Offenbarung, jenes Wortes, in dem die absolute Wahrheit sich selbst zum Ausdruck gebracht hat.“
„Der Religionsunterricht ruht auf einem Offenbarungsfundament, das den Irrtum ausschließt, dem sich die Vernunft in immer neuem und besserem Verstehen zuwendet, ohne ihren Inhalt je ausschöpfen zu können.“
„Der Religionsunterricht stiftet Gewissheit, sofern er sein Fundament in der Offenbarung hat, er bleibt fragend und antwortend, sofern er der Auslegung durch das endliche Wort verhaftet bleibt.“
Das regt an (zur Diskussion) und auf (zum Widerspruch). Die „Presse“ hat mir Gelegenheit gegeben, darauf heute zu antworten: Religionsunterricht in Bedrängnis.
Meine Thesen ganz kurz: Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten (inhaltlich gemeint, nicht finanziell), an einem Religionsunterricht festzuhalten, der von vielen Kindern nicht besucht wird. Zu deutlich sind die Krisenzeichen: Immer mehr Schüler melden sich vom konfessionellen Religionsunterricht ab, und sogar tiefschwarze Politiker verteidigen ihn nur noch halbherzig. Wir müssen (durchaus im Bündnis mit fortschrittlichen ReligionslehrerInnen) neue Wege beschreiten, denn ein Unterricht über unsere Werte und Religion(en) ist unverzichtbar.
Falsch Das sich immer mehr abmelden ist FALSCH! Nach Auskünften der Fachinspektoren (westl.BL) der Evang., Islamischen und Kath. Glaubensgemeinschaften, ist die Abmeldequote stabil und sinkt z.T. an vielen Schulen sogar!
Gerade in diesen Zeiten ist dieser Unterricht wichtiger denn je! Besonders der islamische. Denn nur dort kann die Glaubensgemeinschaft Inhalte vermitteln und Fundis gegensteuern!
Es gehört eben zur Bildung eines jeden auch die eigene Religion zu kennen…
Harald, es reicht! Lieber Harald!
Mittlerweile bin einfach stinksauer über Deine Wortmeldungen zum Thema Religionsunterricht!
1. Wie schon im vorhergehenden Posting angemerkt, ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die den Religionsunterricht besuchen, – trotz aller Unkenrufe – relativ stabil geblieben! Was übrigens selten bis nie erwähnt wird, ist die Tatsache, dass sogar etliche Kinder und Jugendliche bewusst den konfessionellen Religionsunterricht besuchen, die eigentlich ohne Bekenntnis sind. Offensichtlich gibt es da nicht nur ein Bedürfnis von Eltern und Schüler/inn/en in diese Richtung, sondern auch ein gewisses Vertrauen in unsere Arbeit.
2. Wie sehr hast Du Dich an Deiner Schule mit dem islamischen Religionsunterricht auseinandergesetzt? So wäre nämlich zu bemerken, dass die dortige relativ hohe Abmeldungszahl auf die unterschiedlichen religiösen Auffassungen von Alewiten (ca. 20 der aus der Türkei stammenden Muslime) und Sunniten zurückzuführen sind und nichts mit der Qualität des gebotenen Religionsunterrichtes zu tun haben. Wenn im Einzelfall im Religionsunterricht grobe Mängel festzustellen sind, dann ist es Sache der Aufsicht (Direktoren, Inspektoren), diese abzustellen.
Selbstverständlich ist in jedem konfessionellen Religionsunterricht immer Verbesserungsbedarf gegeben – wie in jedem anderen Schulfach auch – wie dies M. Korchide eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, dessen Studie zwar vielfach zitiert, aber vermutlich von Wenigen gelesen worden ist!
3. Wenn Du schreibst, dass „niemand indoktriniert“ werden soll – wie sieht das bitte in anderen Fächern aus? Wer schützt Religion und religiöse Gemeinschaften vor Verleumdung in Fächern wie z.B. Geschichte, Ethik, Biologie etc. (Die Aussage: „Galileo wurde verbrannt“ wurde von mir im GEschichteunterricht korrigiert, die Antwort der betreffenden Lehrperson war: „Die Kirche hat so viele Schweinereien begangen, da wäre das auch möglich gewesen!“)
4. Als Ex-Grünen – Wähler der ersten Stunde möchte ich auch meinem Ärger Luft verschaffen, dass am Anfang katholische Theologen gut genug waren, um für die Grünen einzutreten (Stichwort: Bewahrung der Schöpfung, etc.) und auch im Nationalrat zu sitzen (Severin Renoldner), mittlerweile aber von vielen grünen Würdenträgern zu Tode geliebt werden. – Dies ist daran spürbar, dass mittlerweile alles, das irgendwo /wie das Etikett „katholisch“ oder „kirchlich“ trägt, mit einem Generalverdacht belegt wird.
5. Ich möchte Dir zum Abschluss noch folgenden Artikel des Pastoraltheologen Matthias Scharer ans Herz legen:
http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/796.html
Wenn Du das Gespräch mit mir suchen möchtest, hier meine mail-Adresse: gerhard.huber@vol.at
Mit kollegialen Grüßen,
Gerhard Huber
Lieber Gerhard! Du hast das Gespräch öffentlich gesucht (was mir durchaus recht ist), ich möchte daher auch öffentlich antworten.
Ich verstehe Deine Aufregung nicht: Für engagierte ReligionslehrerInnen sind meine Vorschläge eine Aufwertung und eine doppelte Jobchance (verpflichtender Ethik und freiwilliger RU), im Gegensatz zu Dir sehen das auch einige so (wie ich aus etlichen positiven Zuschriften entnehme).
Diffamierungen gehören immer abgestellt – egal von wem sie stammen: Da rennst Du offene Türen ein.
Dein Bsp. des islamischen RU zeigt ja gerade die Notwendigkeit eines GEMEINSAMEN RU. Findest Du nicht auch, dass der Dialog zwischen Konfessionen einen hohen Stellenwert haben muss?
Niemand mit dem Etikett „katholisch“ steht unter irgendeinem Generalverdacht, ganz im Gegenteil: Ich werbe gerade um jene kritischen KatholikInnen, die das „Salz in der Suppe“ unserer Gesellschaft sind, die wir brauchen, wenn wir die Utopie einer gerechteren Gesellschaft umsetzen wollen. Warum die Diskussion um den konfessionellen RU bei Dir derartige Emotionen auslöst, ist für mich nicht verständlich: Gerade wer Wichtiges bewahren möchte, tut gut daran, notwendige Reformen durchzuführen.
Herr Heitger, es reicht! Der Text Heitgers in der „Presse“ vom 19.3.2009 ist eine missionskirchliche Unverschämtheit der Sonderklasse (http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/462274/index.do). Das ist die Sprache des politischen Katholizismus des 19. Jahrhunderts, und die Anklänge an Benedikt des XVI Anklagen gegen Liberalismus, moralischen Pluralismus und die offene Gesellschaft als „Diktatur des Relativismus“ sind überdeutlich:
„Der Religionsunterricht ruht auf einem Offenbarungsfundament, das den Irrtum ausschließt, dem sich die Vernunft in immer neuem und besserem Verstehen zuwendet, ohne ihren Inhalt je ausschöpfen zu können“ (Heitger).
Nicht nur, dass Heitger hier seinen dogmatischen Unwillen (oder seine Unfähigkeit?) demonstriert, das „Offenbarungsfundament“ selbst mit den Mitteln einer textkritischen Hermeneutik in Frage zu stellen – warum hat dieser Mensch in Innsbruck eigentlich Pädagogik und nicht Theologie unterrichtet? -, und nicht nur, dass er ausgerechnet die theologische Vernunft (idealiter: des Papsttums) als Weg zum immer Besseren – also katholisch gesprochen: als Beitrag zur „unfehlbaren Natur der Glaubenslehre der Kirche“ (+Krenn) – sieht: Er möchte diesen katholischen Neoplatonismus, der sich einem Ungäubigen wie mir leider nur als höhere Form des Schwachsinns darstellt, auch noch auf Kosten des Steuerzahlers in den Schulen verbreitet wissen!
Warum können da nicht mit demselben Recht, unter Berufung auf ihr jeweiliges „Offenbarungsfundament, das den Irrtum ausschließt“, Bolschewisten (mit Lukacs‘ „Geschichte und Klassenbewusstsein“ in der Tasche), Faschisten, Islamisten und alle anderen, denen die alleinige und alleinig seligmachende Wahrheit geoffenbart wurde, daherkommen und mit der Behauptung, ihr Unterricht stifte „Gewissheit, sofern er sein Fundament in der Offenbarung hat“ (Heitger), eine staatliche Alimentierung einfordern?
Nein, es reicht. Wer bisher lediglich Zweifel am Nutzen des konfessionellen Religionsunterrichts hatte, dem hat sie Heitger – dankenswerterweise – genommen.
Falsche Zahlen Woher kommen die Zahlen, dass sich immer mehr Kinder vom Religionsunterricht abmelden? Wenn jede Woche 730.000 SchülerInnen den katholischen Religionsunterricht besuchen – was 95 aller katholischen SchülerInnen sind – und dazu noch 1/4 aller SchülerInnen ohne Bekenntnis am katholischen Religionsunterricht teilnehmen, dann kann man wohl nicht von einer Krise reden!!
Im gegenteil: Anscheinend ist der Religionsunterricht so interessant, dass sich trotz einer gewissen Religionsfeindlichkeit bei vielen Erwachsenen sie Kinder noch immer gerne drauf einlassen.
Also bitte nix konstruieren, sondern bei den Fakten bleiben.
Ich will der KathPress ja nicht misstrauen … von ihr stammen nämlich diese Zahlen. Eine offizielle Statistik gibt es aber gar nicht, wie man mir auf Anfrage im Ministerium bestätigt hat. Die Klagen von vielen LehrerInnen und DirektorInnen deuten aber klar darauf hin, dass die Abmeldezahlen viel höher liegen.