In der aktuellen Ausgabe berichtet das Nachrichtenmagazin „Profil“ über einen „Raubkunst-Fall bei den Wiener Philharmonikern“. Ich habe in den vergangenen Jahren ja schon mehrmals auf den oft peinlichen Umgang der Orchester-Verantwortlichen mit der NS-Zeit hingewiesen.
In derselben Ausgabe des „profil“ schreibt der Schriftsteller Franzobel über Raubkunst im Allgemeinen und den Umgang der Wiener Philharmoniker mit ihrem Raubkunst-Gemälde im Besonderen: „Die Leiche im Orchestergraben“
Orchester-Vorstand Clemens Hellsberg verfährt immer nach der gleichen Taktik: zuerst verschweigen und vertuschen. Zugegeben wird nur das, was nicht zu leugnen ist. Fast 75 Jahre befand sich ein geraubtes wertvolles Gemälde von Paul Signac inklusive Echtheitszertifikat im historischen Giftschrank der Philharmoniker. Gewusst haben davon nur einige wenige Eingeweihte. Erst jetzt, nachdem seit Monaten Gerüchte kursiert sind, hat der Vorstand endlich gehandelt. Die Kunsthistorikerin Sophie Lillie hat die Herkunft des Bildes geklärt. Soweit so gut.
Empörend sind allerdings die falschen und zynischen Aussagen von Philharmoniker-Vorstand Hellsberg. Der hatte davon gesprochen, dass nach „jahrzehntelanger Suche“ „die Besitzer nun ausgeforscht“ wurden: Wie ich aus diversen Informationen weiß, ist das Gegenteil ist richtig. Jahrzehntelang wurde bewusst die Existenz dieses Raubguts verschwiegen.
Ich fordere seit Jahren eine umfassende Aufarbeitung der Orchester-Geschichte in der NS-Zeit durch eine unabhängige und möglichst international besetzte Kommission: Je tiefer man in der Geschichte der Wiener Philharmoniker gräbt, desto mehr Leichen tauchen aus dem Orchestergraben auf. Damit muss Schluss sein, dieser Fall zeigt, dass nun endlich eine fundierte schonungslose Aufklärung hergehört.
Noch immer gibt es eine Vielzahl von Fragen: So ist etwa zu klären, was mit den Instrumenten passiert ist, die Mitgliedern des Orchesters im Zuge der „Arisierung“ geraubt wurden, weil diese nach Nürnberger Gesetzen als Juden gegolten haben. Darüber hinaus befinden sich im Historischen Archiv der Wiener Philharmoniker Artefakte, deren Herkunft untersucht gehört. Mir ist bisher nicht bekannt, dass die Philharmoniker unabhängige externe Provenienzforschung in Auftrag gegeben haben.
Die Wiener Philharmoniker sind ein musikalisches Aushängeschild der Republik in der ganzen Welt. Tröpfchenweise und erst nach massiven Hinweisen tauchen immer wieder Peinlichkeiten aus der NS-Zeit und der Nachkriegsgeschichte auf. Das belastet nicht nur den Ruf des Orchesters, sondern den Ruf von ganz Österreich. Das ist nicht mehr länger zu akzeptieren: Aufklärung kann man nicht einem ausgesuchten Haus- und Hofhistoriker – gemeint ist ausdrücklich nicht die die Kunsthistorikerin Sophie Lillie – überlassen. Das funktioniert offensichtlich nicht. Es muss eine international besetzte Historikerkommission her!