Im „Falter“ (Nr. 26/09) habe ich diese Woche einen Gastkommentar veröffentlicht (leider nicht zu verlinken): „Genug gejammert: Es braucht Reform“. Hier eine gekürzte Fassung:

Sitzenbleiben ist ein Symptom für die Krise des Systems. Die Bildungspolitik beschränkt sich auf Standespolitik

Fast 40.000 Schüler müssen auch heuer wieder sitzenbleiben und im September die Klasse wiederholen. Experten schütteln den Kopf, denn Sinn macht das in den allermeisten Fällen nicht. […] Eine Klasse zu wiederholen kann ein lebenslanges Misserfolgserlebnis für die Betroffenen sein und ist oft eine schwere Belastung für ihre Familien.

Das „System Schule“ reagiert kaum auf diesen Missstand. Vielleicht läuten ja bei finanziellen Problemen die Alarmglocken für die bildungspolitischen Dauerschläfer in der rot-schwarzen Koalition. Immerhin kostet das Wiederholen einer Klasse an die 300 Millionen Euro Steuergeld pro Jahr. Hinzu kommen private Kosten für Nachhilfe – ebenfalls 300 Millionen Euro. Das finnische Schulsystem ist auch in diesem Zusammenhang intelligenter: Dort gibt es durchschnittlich 0,4 Prozent Repetenten, bei uns sind es 4,2 Prozent.

Das Sitzenbleiben ist nur ein Symptom für die Krise unseres Bildungssystems. Bildungspolitik in Österreich beschränkt sich auf starre Standespolitik. […]

Werner Amon fordert im Jahr 2009 unverdrossen ein kompliziertes Verfahren mit Aufnahmeprüfungen zum Übertritt an die AHS. Das ist alte Bildungsideologie und löst unsere Probleme nicht. […]

Das Resultat: Österreich hat seit Jahren schlechte Ergebnisse in allen internationalen Testungen. In der vierten Klasse Volksschule können 16 Prozent der Schüler nicht sinnerfassend lesen. Bei den 15-Jährigen sind es sogar 21,5 Prozent. […]

Genug des Jammerns. […]

Was müssen wir tun, damit wir Anschluss an die Spitzenländer finden? Ein modernes Bildungssystem nimmt Rücksicht auf jedes einzelne Kind, bietet individuelle Förderung und ist daher auch in der Sekundarstufe I als Gesamtschule konzipiert. Die Schule der Zukunft weckt Neugierde, lässt Schüler forschen und Fragen stellen, konzentriert sich nicht auf reproduzierbares Wissen, sondern ist ein Ort der Auseinandersetzung. In ihr wird das Fehlermachen als Chance zum Lernen begriffen und nicht als Blamage, in ihr haben Kinder genügend Zeit zur Entwicklung.

Das ist eine Schule, in der man Kinder nicht schon im Alter von zehn Jahren in angeblich mehr und weniger Begabte sortiert und ihnen ein falsches Elitedenken vermittelt. Es ist eine Schule, die durch Ganztagsbetreuung nicht mutwillig auf das Aufmerksamkeitspotenzial der Kinder am Nachmittag verzichtet. Ob das auch bei uns endlich Realität wird?