Der Pomp beim Begräbnis von Otto Habsburg lässt einen Republikaner doch etwas verstört zurück. War´s doch mehr als nur Otto Habsburg? Der letzte Kaisersohn? Der letzte Thronfolger? Der Letzte?
Man sollte aus der in den letzten Tagen und Wochen doch deutlich geschönten Biographie einiges zurechtrücken. Auf der „Haben-Seite“ fällt mir ein, dass Habsburg im US-Exil einen Beitrag zum Wiedererstehen eines souveränen Österreich nach Kriegsende geleistet hat. Das zu einem Zeitpunkt, an dem nur sehr wenige an Österreich geglaubt haben und eine Loslösung vom „Deutschen Reich“ unmöglich erschien. Was er selbst für sich und seine Familie damit für Ziele verfolgt haben mag, ist in diesem Fall nicht erheblich.
Sein Beitrag zur österreichischen Innenpolitik war mir allerdings schon vor Jahrzehnten ein Problem, als ich ihn – wie das Armin Thurnher im „Falter“ so schön beschrieben hat – in den damals stramm konservativen „Vorarlberger Nachrichten“ keineswegs als Liberalen oder gar „Linksabweichler“ erlebte, sondern als erzreaktionäre Stimme der Vorgestrigen.
Schwer wiegt auf der „Minus-Seite“, dass Otto Habsburg bis zu seinem Tod am politischen Mythos „Österreich als erstes Opfer Hitlerdeutschlands“ festgehalten hat. Völkerrechtlich war Österreich das „erste Opfer“, dass ein großer Teil der Bevölkerung Hitler jubelnd empfangen hat, gehört aber genauso zur Geschichte. Noch im März 2008 sagte Habsburg in einem jenseitigen Auftritt im Parlament: „Wenn es immer wieder blamable Diskussionen darüber gibt, ob die Österreicher Mitschuldige oder Opfer waren, dann muss ich sagen, dass es keinen Staat in Europa gibt, der mehr Recht hat, sich als Opfer zu bezeichnen!“
Es zeugt zudem nicht von politischem Format, wenn sich jemand zu solchen verharmlosenden Aussagen über die „Anschluss“-Begeisterung am Heldenplatz hinreißen lässt: „Wenn irgendwo ein großer Rummel ist, dann kommen viele und jubeln. Wenn man von den 60.000 am Heldenplatz spricht – bei jedem Fußballmatch sind auch 60.000!“ Nein, Herr Habsburg, so kann man mit diesem Teil unserer Geshichte nicht umgehen – ganz abgesehen davon, dass rund 250.000-300.000 NS-Anhänger Hitlers „Vollzugsmeldung“ auf dem Heldenplatz bejubelt haben. Wir vergessen auch nicht, dass die zahlreichen österreichischen NS-Täter bei Otto Habsburg nie eine Rolle gespielt haben!
Was ihm anzurechnen ist: Er war am 19. August 1989 und somit am Ende des Kalten Kriegs Initiator und Schirmherr des „Paneuropäischen Picknicks“ an der österreichisch-ungarischen Grenze, bei dem mehr als 600 DDR-Bürger nach Österreich flüchteten.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten, immerhin konstatierte sein Sohn Karl: „Für ihn [Otto Habsburg] war die EU die Fortsetzung der Reichsidee, des habsburgischen Vielvölkerstaates.“ (im Interview mit Conny Bischofberger, „Eine neue Ära beginnt“, KURIER 08.07.11). Schon einmal etwas vom „Völkerkerker“ gehört?
Für Habsburg-Nostalgiker mag das Positive ausreichen, wie bei seinem Vater Karl sind auch bei der Katholischen Kirche „höhere Weihen“ nicht auszuschließen – für einen geschichts- und demokratiebewussten Republikaner reicht die Biographie Otto Habsburg aber nicht für eine politische Seligsprechung.