Regelmäßige Ausschreitungen sind in Österreich ungewöhnlich, passieren derzeit aber Woche für Woche. Im Hintergrund schüren FPÖ, Identitäre und andere Rechtsextreme. Sie sind derzeit politisch auch die Profiteure. Die FPÖ lenkt ab vom Desaster ihrer Regierungbeteiligung, den unzähligen Korruptionsfällen und den rechtsextremen „Einzelfällen“. Identitäre und andere Rechtsextreme haben plötzlich die Möglichkeit, sich als „Volksbewegung“ zu präsentieren. In den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich unter dem Titel „Rechte Chaoten?“ dazu einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:

Die Bilder gleichen sich. Woche für Woche ziehen tausende Rechtsextreme, Neonazis und biedere Corona-Leugner durch die Straßen. Nicht selten kommt es zu Ausschreitungen. Den Ton geben dabei meist FPÖ-Funktionäre, „Identitäre“ und Neonazis an.

So auch am letzten Wochenende in Wien. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hielt vor rund 10.000 Menschen gleich zwei Brandreden. Die aufgeheizte Menge zog danach ins Zentrum des jüdischen Wien, verhöhnte den Holocaust und attackierte Exekutivbeamten derart massiv, dass schlussendlich vier Polizisten und ein Wachmann zum Teil schwerverletzt zurückblieben. Es hagelte über 3.000 Anzeigen, 42 Personen wurden festgenommen − einzigartig in der 2. Republik. Österreich 2021!

Offene Fragen

Mit dabei bei diesen Exzessen waren auch ausländische Gäste. Einer von ihnen war AfD-Bundestagsabgeordneter Stefan Bauer, der sich auch mit Kickl getroffen hat: Was die beiden besprochen haben, wurde nicht berichtet. Was Bauer zuvor gemacht hat, hingegen schon.

Er war in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und hat dort ein Video gedreht, in dem Corona-Impfstoffe mit dem in Auschwitz verwendeten Giftgas „Zyklon B“ verglichen wurden. Inzwischen wird gegen Bauer wegen Wiederbetätigung ermittelt.

Abscheuliche Rhetorik

ÖVP-Innenminister und der ÖVP-Sicherheitssprecher kritisierten den früheren Innenminister Kickl und dessen „abscheuliche Rhetorik“. Einige Themen haben die beiden wohlweislich ausgelassen:  Wer hat die FPÖ 2017 in die Regierung geholt? War die FPÖ-Rhetorik davor anders als heute? Waren Warnungen vor Kickl 2017 nicht schon deutlich genug? War die FPÖ eine „normale Partei“?

Es gibt deutliche Hinweise, dass sich die „Normalität“ in Österreich verschiebt. Innenministerium und „SOS Mitmensch“ haben letzte Woche erschreckende Berichte vorgelegt − über antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus.

Rassismus in Österreich

Demnach haben sich 2020 antimuslimische und rassistische Äußerungen und Vorfälle mehr als verdoppelt: „Zentrale Akteurin des offenen antimuslimischen Rassismus (… ) war und ist die Freiheitliche Partei Österreichs“, heißt es im Bericht von SOS-Mitmensch.

Mindestens ebenso verstörend ist die Antisemitismusstudie des Innenministeriums: 28 Prozent stimmen beispielsweise der Aussage zu, dass „eine mächtige und einflussreiche Elite (z. B. Soros, Rothschild, Zuckerberg, …)“ die Pandemie nutze, „um ihren Reichtum und politischen Einfluss auszubauen“. Der Leiter der Studie stellt daher klar: „Personen mit hohem Hang zu Verschwörungsmythen sind deutlich antisemitischer als der Rest der Bevölkerung.“

Damit wären wir wieder bei den Corona-Demonstrationen, der FPÖ und Herbert Kickl. Dabei handelt es sich nicht um rechte Chaoten, sondern um präzise kalkulierende Politik. Die derzeitige Situation in Österreich − und leider auch in anderen EU-Staaten − ist brandgefährlich.