Kindergarten-PädagogInnen und Eltern wehren sich gegen die seit Jahrzehnten vorhandene Geringschätzung eines der wichtigsten Berufe. Am Samstag kommt es in Wien daher zu einer Demonstration. Forderung: Verbesserung der Situation in den Kindergärten:

Ich habe heute Abend vier Stunden an einer sehr spannenden Veranstaltung teilgenommen – dem „1. Österreichischen Kindergartengipfel“. Toll, was meine Kollegin Daniela Musiol da organisiert hat. Ich möchte nur einen Aspekt herausgreifen: Den Kindergarten als Bildungseinrichtung haben wir nämlich im Bildungsprogramm besonders betont.

Wenn es stimmt, dass die entscheidenden Grundlagen für die Lernfähigkeit eines Menschen im frühen Kindesalter gelegt werden, dann hat das bestehende Bildungssystem einen kapitalen Konstruktionsfehler. Denn „unten“ – also in Kindergärten und Volksschulen – befinden sich die kürzest ausgebildeten, sozial am wenigsten angesehenen und schlechtest bezahlten Pädagoginnen und Pädagogen. Je weiter wir hingegen hinaufkommen – also in jene Bereiche, in denen bereits eine Selektion der Schülerinnen und Schüler zugunsten der angeblich mehr Begabten und meist auch sozial Wohlhabenderen stattgefunden hat –, desto besser ausgebildet, sozial angesehener, besser bezahlt und – kein Zufall – männlicher wird das Personal.

Die Ressourcenpyramide des Bildungssystems bildet damit passgenau die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse nach: Wer schon hat, dem wird noch einmal kräftig gegeben. Gleichzeitig jedoch verschüttet ein solches System die Potenziale, die es eigentlich eröffnen müsste – nicht nur jene der Schülerinnen und Schüler, sondern genauso die der Pädagoginnen und Pädagogen. Denn unten, also in Volksschulen und Kindergärten, befinden sich fast nur noch Frauen, weil sich die Männer solche Jobs erst gar nicht mehr antun wollen. Damit reproduziert das Bildungssystem schon an seinem Eingang ein einseitiges Verständnis von Geschlechterrollen, das es zu überwinden gilt. Daraus folgt: Wir wollen diese Pyramide abtragen und ein neues Ressourcensystem aufbauen:

Es ist nicht einzusehen, weshalb die pädagogischen Kräfte am Eingang des Bildungssystems – also in Kindergärten und Volksschulen –, wo die Weichen für die Lernentwicklung eines Menschen gestellt werden, weniger gut ausgebildet und geringer bezahlt werden sollen als Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien. Und an den Hauptschulen ist der Unterschied schon deswegen nicht aufrechtzuerhalten, weil bereits im jetzigen System die erste Leistungsgruppe laut Gesetz ein Bildungsangebot, das der gymnasialen Unterstufe entspricht, bereitzustellen hätte. Wie will man da die Unterschiede in der Ausbildung und Bezahlung der Lehrkräfte der beiden Schultypen rechtfertigen?

Vielfach herrscht noch die naive Annahme, die Arbeit in Kindergärten und Volksschulen verlaufe auf einer pädagogischen Schmalspur, sodass man sie deshalb ruhig schlechter bezahlen könne. Wer so denkt, hat den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte nicht verstanden. Denn durch die heterogenen Herkunftsmilieus der Kinder und durch die wachsenden Anforderungen an deren soziale, sprachliche und mathematische Kompetenzen sind heute Kindergarten- und Volksschulpädagoginnen um nichts weniger gefordert als Lehrerinnen und Lehrer an höheren Schulen.

Eine gleichwertige universitäre Ausbildung für alle Pädagoginnen und Pädagogen vom Kindergarten bis zu den höheren Schulen ist deshalb unumgänglich. Sie darf allerdings nicht Uniformierung und praxisferne Akademisierung bedeuten – sie kann auch in Modulen erfolgen, die den unterschiedlichen Praxisanforderungen entsprechen. Dazu bedarf es einer Reorganisation der universitären Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, die der sozialen und kulturellen Komplexität des Lebens in Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen gerecht wird.