Mutter-Teresa-aus-KalkutaWenn zwei ehemalige liberale ÖVP-Politiker wie Josef Riegler und Heinrich Neisser sich für ein Kopftuchverbot an Schulen und ein Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit aussprechen, muss das ernst genommen werden. Die beiden mutieren aber zu Hardlinern, wenn sie wie Sebastian Kurz bei „Integrationsunwilligkeit“ 1000 Euro Verwaltungsstrafe oder den Entzug der Familienbeihilfe verlangen („Neisser und Riegler für Kopftuchverbot an Schulen“).
Die Kopftuchideologie sei reaktionär, so Riegler und Neisser, und Ausdruck der Ideologie der Ungleichheit von Mann und Frau. Sie verlangen – wie wir Grünen – einen verpflichtenden Ethikunterricht an den Schulen.
Einige Fragen hätte ich an die beiden: Gilt das Kopftuchverbot an Schulen auch für katholische Ordensschwestern? Wäre so ein Verbot nicht ein Eingriff des liberalen Staates in religiösen Fragen? Ist es nicht die Aufgabe des Staates, jede gewaltfrei ausgeübte Religion zu schützen? Ist unsere Gesellschaft wirklich dadurch gefährdet, dass muslimische Mädchen ein Kopftuch tragen?
Natürlich können (!) Kopftuch (und Schleier) Instrumente zur Machtausübung einer von Männern dominierten Gesellschaft sein.Aber müssten dann nicht auch konsequent katholische Nonnen ihre Ordenstracht ablegen? Ist es die Aufgabe des Staates, seinen Bürgerinnen vorzuschreiben, welche Werte sie zu leben haben und für welchen Lebensweg sie sich entscheiden? Ist es nicht vielmehr eine Herabwürdigung dieser Frauen, ihnen zu unterstellen, das Tragen des Kopftuchs sei erzwungen?
Die Zahl der Kopftuch tragenden Frauen nimmt zu. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer ist sicher der wachsende Einfluss fundamentalistischer Gruppen. Das ist ein Problem, das es zu bekämpfen gilt. Mit einem „Kopftuchverbot“ allerdings wird eher das Gegenteil erreicht werden: Gerade weil der Druck auf Moslems in der westlichen Welt durch terroristische Gruppierungen, die sich auf den Islam berufen, zugenommen hat, würde ein Kopftuchverbot zu einer Solidarisierung fundamentalistischer und nicht-fundamentalistischer Moslems führen. In der Türkei gab es jahrzehntelang ein „Kopftuchverbot“ – der „Erfolg“ war das Erstarken der Fundamentalisten.
Das Kopftuch ist für viele (aber natürlich nicht alle) muslimische Frauen bei uns auch ein Zeichen gestiegenen Selbstbewusstseins. Monika Zisterer von der Universität Innsbruck hat das in einer Studie festgestellt: „Die Frauen sehen den Islam als Ausweg, da sie sich weder mehr als Österreicherin, noch mehr als Türkin fühlen, sondern als österreichische Muslima mit türkischem Migrationshintergrund. Sozusagen eine dritte Identität zwischen den natio-ethnokulturellen Identitäten.“
Aufgabe des Staates kann es nur sein, seinen BürgerInnen die Wahl zu lassen, „nach welcher Façon sie selig werden möchten“ – wie es vor über 200 Jahren Friedrich II formulierte. Gerade wer für eine Trennung von Staat und Kirche eintritt, sollte gleichzeitig die Ausübung religiöser Praktiken verteidigen, solange dies gewaltfrei geschieht. Erst wenn nachgewiesen werden kann, dass das Tragen von Kopftüchern eine Zwangsmaßnahme gegen Frauen und Mädchen ist, darf und muss der Staat eingreifen.