Ja, ich weiß: mit ein bisschen Lehrerbashing tut man sich derzeit leichter als mit dem Hinweis, dass LehrerIn heutzutage ein knochenharter Job ist.
In Großbritannien schockt ein Bericht des Schulinspektorats die Öffentlichkeit: Demnach beginnen immer mehr Kinder schon im Vorschulalter aggressives Verhalten zu entwickeln, die Zahl der Schulausschlüsse ist in den vergangenen 5 Jahren um 10 Prozent gestiegen (eine ähnliche Tendenz ist auch bei uns zu beobachten). Besonders besorgniserregend: Schon unter 5-Jährige müssen zu Hause bleiben, weil sie ihre Mitschüler sexuell belästigen. Fünfjährige!! Aber was soll´s – die Schule wird´s schon richten! Und bei uns ist es ja sowieso viel besser. Oder?
Arno Brändle hat mich darauf hingewiesen, dass die TALIS-Studie (Teaching And Learning International Survey) einige interessante Fakten zutage fördert. TALIS ist eine internationale Studie über die Arbeitsbedingungen und das Lernumfeld von Lehrerinnen und Lehrern. Sie ist die erste Studie dieser Art und wird von der OECD durchgeführt. Dabei steht die Perspektive der LehrerInnen selbst im Mittelpunkt. Die Ergebnisse von TALIS sollen es den teilnehmenden Ländern ermöglichen, ihre Bildungspolitik in Bezug auf ein effektives Schulumfeld zu überprüfen und zu gestalten. Die Ergebnisse beruhen auf den Aussagen der LehrerInnen und SchulleiterInnen.
Zum Thema „faule LehrerInnen“: In Österreich verbringen sie wöchentlich im Durchschnitt ca. 20 Stunden in der Klasse (24 Unterrichtseinheiten zu 50 Minuten), 15 Stunden mit Vor- bzw. Nachbereitungszeit des Unterrichts sowie weitere 8 Stunden für administrative und andere Tätigkeiten. In Summe berichten die österreichischen Lehrkräfte in einer normalen Schulwoche über eine Gesamtarbeitszeit von 43 Stunden. Der OECD-/EU-Schnitt liegt bei 39 Stunden.
Und wie bei jedem Lehrer fehlen die entscheidenden Punkte. 1.) So mancher Lehrer arbeitet zweifellos viel. Aber kein Geographie- + Geschichte-, Musik- etc etc -Lehrer mit ein paar Jahren Erfahrung kann mir erzählen, er würde sich 15 Stunden pro Woche vorbereiten. Administratives kann ich auch nicht erkennen.
2.) Selbst wenn man auf 43 Stunden kommt (Das ist übrigens bei vielen anderen Jobs heute auch die Normalarbeitszeit!) hat ein Lehrer immer noch 14 Urlaubswochen. Nicht 5 (in Worten FÜNF!).
Ich hab nichts für Lehrer-Bashing an sich übrig. Es steht schließlich jedem frei, Lehrer zu werden. Das Lehrer-Gesudere kann ich aber nicht mehr hören!
Vermutlich könnte man das Lehrer-Bashing abschaffen, indem man jeden Lehrer dazu zwingt, 1 Jahr lang einen stinknormalen Akademiker-Bürojob zu machen. Mit 5 Wochen Urlaub und zB der Notwendigkeit, einen dieser 25 Tage schon zu konsumieren, wenn man zuhause am Nachmittag einem Handwerker zuschauen muss.
Dann würden Lehrer nur bei den Punkten sudern, wo es für Nicht-Lehrer verständlich und nachvollziehbar ist, und sie würden vielleicht auch einmal zugeben, dass sie vielleicht nicht reich werden, es aber auch ganz nett ist, am Nachmittag im Garten Hefte zu korrigieren oder im Sommer 5 Wochen durch Indien zu trampen.
Dann würde das böse Lehrer-Bashing schnell abklingen.
So mancher, aber … Das ist immer dieselbe Leier. Wir werden nie – und in keinem Beruf – zu einer wirklich objektiven Bewertung aller kommen. Meiner Erfahrung nach, gibt es in allen Fächerkombinationen solche und solche. Die Belastung IN einer Unterrichtsstunde ist aber deutlich höher als in einem normalen Bürojob (und das sage ich auch als Direktor einen großen Schule): Die längeren Ferien empfinde ich als so etwas wie einen „Stressausgleich“.
Sie sind völlig ahnungslos, Herr Walser zum Beispiel höher als für Trainerinnen für Arbeitslose, die auch nur 5 Wochen Urlaub haben?
Wie kommen sie auf die waghalsige These, eine Unterrichtsstunde (=50 Minuten) wäre belastungsreicher als eine Stunde im Büro (z.B. für einen Abteilungsleiter mit 30 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen)? Ein sicherer Arbeitsplatz wäre belastender als das Risiko, das jeder normale Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin trägt, arbeitslos zu werden?
Liebe Frau Liberale, das ist alles sehr relativ! Natürlich haben die meisten Leherer einen besonders anstrengenden und undankbaren Job. Das wird unterschätzt. Nicht umsonst landen so viele Lehrer im Burnout. Einige Polizisten und Abteilungsleiter und Arbeitslosentrainer auch. Einige aber nicht. Es gibt zu große Ungerechtigkeiten. Meine Chefs machten sich ein tolles Leben, gaben sich dem süßen Nichtstun und Abkassieren hin. Das waren Priviligierte, die mussten nichts arbeiten und leisten, ich musste das sehr wohl. Meine Chefs hatten emsige Arbeitsbienen wie mich. Ich habe immer gern gearbeitet, eher zu gern. Zumindest bis ich aus Überarbeitung und Ärger über tausenderlei Ungerechtigkeiten krank wurde und kündigen musste. Man sollte nicht zu gern arbeiten, man sollte sich mehr Ruhe gönnen. Man sollte auch anderen mehr Zeit und Ruhe gönnen.
Aber woher will nun jemand wissen wie hoch die Belastung eines Arbeitslosen ist? Jeder fürchtet sich davor arbeitslos zu werden und jeder neidet es einem. Doch man fürchtet zu recht. In Wahrheit ist es 100 mal schlimmer als man je angenommen hätte. Man denkt, nun hätte man zumindest mehr Ruhe oder könnte sich als Kranker schonen. Aber nein, es ist genauso stressig, es ist nur ein anderer Stress. Es ist aber weniger das fehlende Geld, es sind die fehlenden Menschlichkeiten. Man wird fortan zum Sozialschmarotzer. Doch damit lebt es sich als ehem. Workoholic besonders schwer. Auch wenn man sich nie etwas zuschulden hat kommen lassen, wird man von jedem Amt wie ein Schwerverbrecher behandelt, von der Gesellschaft ausgestoßen und bei kargen Mitteln in Einzelhaft gesteckt. Viel mehr ist bei der Teuerung, den guten Freunden aus guten Zeiten und dieser Sozialpolitik eben nicht drin.
Jeder der soweit gesund ist, der arbeiten, etwas lernen oder spazieren gehen kann, der Freunde und Familie hat, ist ein reicher Mensch. Der eine mehr, der andere weniger, aber ein reicher Mensch. Er weiß es nur nicht und neidet dem Lehrer seines Kinds ein wenig Erholung. Als meine Schwester tödlich verunglückte neideten mir meine Kollegen, dass ich 3 Tage frei bekam. Nun beneidet man mich um meine Arbeitslosigkeit. Ich bin schon gespannt wer mich um meinen Tod beneiden wird. Bleibt nur mehr mein Kind. Kleinkrämerischer Unsinn kleinlicher Kleingeister!
Mir bleibt zum Trost Wilhelm Busch: „Wer einsam ist der hat es gut, weil keiner da der ihm was tut.“ Wenn man es mal so weit gebracht hat, die Weisheit des Satzes zu erkennen, hat gelernt sogar eine momentane Abwesenheit von Schrecken, Gemeinheiten und akuten Schmerzen als große Reichtümer und Wohltaten zu betrachten.
kurze Anmerkungen @plumps
Sinnvolle Diskussionen sind erst dann möglich (und manches, was Sie sagen, ist natürlich diskussionswürdig), wenn dieser saublöde (Entschuldigung) Gesudere von „14 Urlaubswochen“ aufhört.
Gibt es denn in der Privatwirtschaft keine Jahresarbeitszeit und keinen Zeitausgleich? Nein?
Ja, ich korrigiere manchmal auch im Garten. Na und? Was wollen Sie damit sagen?
Vielleicht würde das Lehrerbashing ja auch aufhören, wenn Leute aus der Privatwirtschaft (was auch immer das als Sammelbegriff sein soll) einmal ein Jahr in einer Schule unterrichten. Hm?
Warum diskutieren wir nicht darüber, was einer Gesellschaft die Ausbildung ihrer Kinder wert ist? Nicht nur materiell. Und nicht erst ab dem Schulalter, sondern von Geburt an.
Lehrer sollte man sein… … am besten während der Ferien.
Klar, im Moment ist der Neidfaktor am höchsten. Aber ist der Job wirklich so ein „Leckerli“, wie es von manchen dargestellt wird?
Im Dialog mit „One Brick“ habe ich mich schon zu diesem Thema ausgelassen. Die Regenerationszeiten sind notwendig, um mit den Belastungen umgehen zu können. Dennoch würde ich mir eine bessere Verteilung der Ferienzeiten wünschen.
Lehrer will man sein! Also Arno, ich würde gerne nebenberuflich z.B. 1 Klasse in einem Fach das ich mit meiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung abdecken kann ein Jahr lang zu unterrichten.
Ich habe zwar nicht Lehramt studiert – aber ich denke mit entsprechender Vorbereitung bekomme ich das schon hin.
Wie siehst Du solche Vorschläge? Aus der Lehrervertretung hört man dazu nur „best of böse“.
Ja, aber… Ja, aber…ist wohl die gängigste Floskel, die lehrerinnen und Lehrer über die Lipen huscht, wenn es darum geht, Neues in der Schule zu erproben. Nie ist der Mensch kreativer, als wenn er Argumente sucht, warum er etwas Neues nicht machen kann.
Zur Sache: Wenn du mit 1. Klasse eine 1. Volksschulklasse meinst, bin ich dagegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es in den ersten paar Schuljahren die besten Lehrkräfte mit den besten Ausbildungen braucht. Wenn du aber meine 1. Klasse meinst, dann sprechen wir vom 6. Schuljahr. In diesem Fall wäre ich sehr dafür. Man müsste den Job-Swap-Kandidaten eine 6wöchige Einschulung geben und los geht´s. Kein Zweifel, Lehrpersonen würden staunen, wie es in der Privatwirtschaft ab geht. Doch auch die Lehrerneulinge würden Augen machen. Die Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, mit allem was dazu gehört. Wenn alles glatt geht und keine besonderen Schwierigkeiten auftreten, ist es ein absolut toller Beruf, der einem auch viele Freiheiten bietet. Wenn, und die Häufigkeit nimmt stetig zu, besondere Schwierigkeiten auftreten, dann kann er schnell zur Hölle werden. Egal, um was es sich handelt, die direkte Erfahrung hilft, Vorurteile abzubauen. Also, nach der Volksschule bin ich sehr für deine Idee.
In eigener Sache: seit zwei Wochen schreibe ich mir die Finger wund, um einen Bildungsblog auf die Beine zu stellen. Die Besucherzahlen sind recht gut, aber Kommentare sind Mangelware. Obwohl, oder gerade weil wir nicht immer gleicher Meinung sind, würden mir das eine oder andere Kommentärchen von dir gut gefallen. In einem Blog sind sie einfach das Salz in der Suppe.
W Keine Sorge, ich hatte keine Volksschüler im Sinn – in dem Alter liegt der Schwerpunkt wohl eher am Pädagogischen als am fachlichen, da bin ich ganz Deiner Meinung.
ad Bildungsblog: ist das jetzt eine Einladung zum Lehrer-bashing ;-)?