refwelcomefestImmer regelmäßiger pudeln sich Neos-Mitglieder darüber auf, dass Grüne die Situation der Flüchtlinge „parteipolitisch“ vereinnahmen würden, so im „Runder Tisch“ am letzten Montag:

Glawischnig Eva (Grüne, G.E.): Die Welle der Hilfsbereitschaft, die jetzt durch Österreich gegangen sind. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Wie viele Menschen am Zentralbahnhof, am Westbahnhof nach Traiskirchen …
Strolz Matthias (Neos, S.M.): Ja, aber bitte jetzt nicht durch eine Partei vereinnahmen, das meine ich eben nicht.
G.E.: Nach Traiskirchen, nehmen wir uns an dem trotzdem – nein, ich will es nicht vereinnahmen.
S.M: Wir laufen nicht in pinken Shirts am Westbahnhof herum.
G.E.: Nein, seien Sie nicht so emotional.
S.M.: Das mag ich nicht, diese Art von Vereinnahmung.
G.E.: Ich sage nur, nehmen wir uns politisch.
S.M.: Das mag ich nicht.
G.E.: Was regen Sie sich jetzt so auf?
S.M.: Ja, aber ich mag das nicht, wenn man dieses menschliches Leid verwurstet in einen Wahlkampf hinein. Das mag ich nicht.
G.E.: Ich habe nur gesagt, nehmen wir uns daran politisch ein Beispiel …
S.M.: Ja, die Botschaft haben wir von Ihnen jetzt fünfmal gehört. Ich glaube, die ist angekommen.
G.E.: Sie haben mich noch nicht einmal ausreden lassen. Sie sind vielleicht grantig.
S.M.: Ja, da werde ich schon grantig, weil das ist nicht okay.
(ORF, Runder Tisch, 14.9.2015, ab 33’27“; Transkript APA)

Matthias Strolz ist also grantig. Gut. Aber ich frage mich, warum eigentlich? Wer die Wortmeldung von Eva Glawischnig liest (oder nachhört), erkennt unschwer, dass hier von einer parteipolitischen Vereinnahmung „dieses menschlichen Leids“ nicht einmal ansatzweise die Rede ist. Zu bemerken ist jedoch, mit welcher Selbstverständlichkeit Strolz eine Diskussionsteilnehmerin unterbricht und in der Folge den begonnen Gedankengang nicht mehr ausführen lässt.

Nun hat die zukünftige Neos-Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon  einen gleichlautenden Vorwurf aufgrund eines anderen Anlasses via Twitter an uns Grüne gerichtet. Und ich beginne mich langsam zu fragen, welchen Spin Neos damit verfolgt.

Grundsätzlich ist festzustellen: Zuallererst handeln wir, wenn wir helfen, als Menschen und nicht als Angehörige irgendwelcher Parteien. Ich würde es niemandem unterstellen wollen, hier vorrangig aus parteipolitischen Strategien heraus zu handeln. Dennoch ist es Tatsache, dass innerhalb der Grünen sehr viele AktivistInnen aus Menschenrechtsorganisationen kommen, aus Sozialinitiativen und aus anderen ähnlichen NGOs. Die Situation von flüchtenden Menschen ist daher auch nicht erst seit zwei Wochen ein zentrales Thema meiner Partei. Dass es beispielsweise kein Zufall ist, wenn wir bereits im Juli eine Sommerkampagne zum Thema Menschenrechte gestaltet haben, werden uns selbst Neos-FunktionärInnen glauben.

Als Michel Reimon und Tina Wirnsberger am 31. August den ersten Flüchtlingszug aus Wien Richtung München begleitet und via Soziale Medien die Bitte nach Zureichung von Wasser und Verpflegung geäußert hatten, war innerhalb kürzester Zeit ein Grünes Netzwerk aktiviert, das an den Bahnhöfen in Linz und Salzburg reagierte. Als dann weitere Züge folgten, waren es mit Birgit Hebein, Peter Kraus, Georg Prack und vielen anderen Wiener Grüne, die eine koordinierende Funktion am Westbahnhof übernommen und geholfen haben, innerhalb von nur wenigen Stunden für tausende Flüchtlinge eine erste Grundversorgung sicherzustellen. Gleiches gilt für Linz und Salzburg. Die kurzen Kommunikationswege innerhalb der Partei waren hilfreich, um sich zwischen Wien, Linz und Salzburg wenigstens ein Minimum koordinieren zu können.

Um es klar zu stellen: Natürlich waren es bei weitem nicht nur Grüne, die von Nickelsdorf bis Salzburg halfen – da waren unzählige andere aktiv –, aber dass viele von uns schnell und selbstverständlich auch da waren, nein, dafür schäme ich mich nicht.

Als vor mehreren Monaten der Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollte und auf Widerstand stieß, kam doch auch niemand auf die Idee, Neos vorzuwerfen, diesen Schritt parteipolitisch zu missbrauchen, obwohl seine Initiative über alle Neos-Kommunikationskanäle verbreitet wurde. Es gab breiten Applaus und Anerkennung für Schellhorn, darunter natürlich auch (und ganz besonders) von uns Grünen. Ich persönlich habe ihm im Nationalrat dafür gedankt.

gamonMeine Gegenfrage: Warum sollen die Grünen-Mariahilf denn kein Willkommensfest für Flüchtlinge machen, warum sollen sie – gerade im Wahlkampf – nicht zeigen, wofür sie stehen?

„Die große Hilfsbereitschaft ist die beste antirassistische Praxis, die man sich vorstellen kann: Es wird signalisiert, dass den verkürzten Zuschreibungen praktisch etwas entgegengesetzt wird.“ (Matthias Quent, Soziologe mit Schwerpunkt Rechtsextremismusforschung, Standard)

Ich wünsche mir, dass möglichst viele Parteien zeigen, dass sie auf Seite der Menschlichkeit stehen und damit ein ganz klares politisches Gegengewicht zur rassistischen, hetzerischen Praxis der FPÖ bilden. Wir werden das in den kommenden Monaten auch über die Wahltermine hinaus brauchen. Es ist dabei völlig egal, ob es Parteiinitiativen sind oder nicht. Hauptsache ist zu signalisieren, dass wir viele sind. Also, liebe Neos, zusammenreißen, fair bleiben und selber etwas auf die Beine stellen! Und dann treffen wir uns alle parteiübergreifend am 3. Oktober bei der Demonstration und anschließend beim Solidaritätskonzert am Heldenplatz.

P.S.: Birgit Hebein hat völlig unabhängig von mir gerade auch einen Blogbeitrag veröffentlicht: http://birgithebein.at/2015/09/fluechtlingskrise-versus-wahlkampf/