Stell Dir vor: Du willst in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, kommst mit dem Zug oder Bus in Mauthausen an, hast einmal einen Fußmarsch von mindestens 1,3 Kilometer bergauf (!) vor Dir. Wenn Du Pech hast, stehst Du vor verschlossenen Türen: Schließtag, manchmal auch unangekündigt. Und wenn dann auch noch Winter ist, mit Schneefall oder Eis, dann erfährst Du: Es wird nicht geräumt und „Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr.“ Zustände, die der nationalen Gedenkstätte Österreichs unwürdig sind. Dazu kommt: Es gibt Hinweise, dass Funde von Leichenüberresten nicht ordnungsgemäß bestattet wurden, dass es bei Grabstätten teilweise keinerlei Hinweisschilder gibt und dass Gruppenführungen wegen Personalmangels abgewiesen werden müssen.
Heute habe ich im Rahmen einer Pressekonferenz (presseunterlage_15.4.2015_Mauthausen) die Grünen Vorschläge für eine unabhängige, international besetzte und von Fachleuten dominierte neue Organisationsstruktur präsentiert. Die Neuausrichtung hat sich zukünftig an folgenden zentralen Überlegungen zu orientieren: Ein ehemaliges Konzentrationslager, das als Gedenk- und Vermittlungsort dienen soll, muss schon alleine in ihrer organisatorischen Gliederung eine Antithese zur Struktur eines Konzentrationslagers darstellen, um in der Vermittlung glaubhaft authentisch zu sein. Das bedeutet: Der Staatsapparat hat sich im Hintergrund zu halten, vor allem die Hinausnahme des Innenministeriums als oberstes Verwaltungsorgan, flache, auf Kooperation ausgerichtete Hierarchien, anständige Beschäftigungsverhältnisse für die MitarbeiterInnen, maximale Transparenz und Einbindung der Zivilgesellschaft. Wer das nicht begreift, hat nichts von pädagogischen Grundprinzipien verstanden.
nicht ganz richtig.
unangekündigte schließtage hat es an der gedenkstätte so gut wie nie gegeben. (in den letzten jahren ein oder zwei mal wegen grippewelle.)
das abweisen von gruppen für bestimmte termine geschieht in erster linie deswegen, weil ein großer run auf die gleichen termine besteht (vormittags, april bis juni), während in anderen zeiten jede menge ersatztermine angeboten würden. dass zu spitzenzeiten kapazitäten grundsätzlich endlich sind, ist schwer zu vermeiden.
der erwähnte besucherrückgang ist eine momentaufnahme, kein trend. da müsste man wohl mehr als 3 vergleichsmonate heranziehen.
die geschichte mit den angeblich nicht ordnungsgemäß bestatteten leichenteilen wirkt ein bisschen wie eine räuberpistole a la dokumentarfilmer sulzer mit seinen bergristall-verschwörungstheorien.
Was die Schließtage betrifft: Ich habe Mails von Personen erhalten, die das Gegenteil berichten und vor verschlossenen Türen standen.
Im Herbst 2013 hat der Standard dazu erstmals berichtet (siehe http://derstandard.at/1381368337232/Mauthausen-Gedenken-vor-verschlossenen-Tueren). Schon die damalige Stellungnahme seitens des BM.I („Einzelfall“) entsprach nach glaubwürdigen Quellen nicht der Wahrheit: Seit einigen Jahren ist etwa in den Sommermonaten der Bookshop (und damit das Ticketing) oft mehrere Tage und Wochen durchgängig geschlossen, und die BesucherInnen werden vor dem Start der Rundgänge im Kreis geschickt (zum hist. Lagereingang und zurück -> Gehdistanz hin & retour ca. 600 Meter, Zeitaufwand mind. 15 Min). Das resultiert offenbar aus einem knappen Personalstand, den in den Sommermonaten in Anspruch genommenen Urlauben, bei gleichzeitig häufig eintretenden Krankenständen, auch abseits von „Grippewellen“.
ad Gruppen und BesucherInnen: Es ist logisch, dass es Zeiten gibt, wo die Nachfrage nach Führungen größer ist und Perioden, wo es ruhiger wird. Tatsache ist jedoch, dass laut Statistik in den Jahresberichten die Anzahl der SchülerInnen aus Österreich von 60.000 (2008) auf unter 50.000 (2013) gesunken ist. Daraus lässt sich interpretieren, dass da irgendetwas schiefläuft. Ebenfalls rückläufig ist die GesamtbesucherInnenanzahl (mit Ausnahme rund um das Gedenkjahr 2005); auch das lässt sich aus den Jahresberichten ablesen (2000: knapp 210.000 BesucherInnen, 2013 ca. 180.000). Das ist also weit mehr als eine Momentaufnahme über drei Monate (über die ich nicht einmal verfüge – wenn Sie das als offensichtlich interne Person sagen, dann danke ich für diesen Hinweis). Außerdem: Meine aktuellen Informationen von abgewiesenen Gruppen beziehen sich auf Winter und Frühjahr, also auf die „Nebensaison“, in der laut ihrer Antwort weniger Andrang herrschen muss.
ad „Räuberpistole“: Ich habe hierzu mehrere voneinander unabhängige Personen kontaktiert, um keine „Räuberpistolen“ in die Welt zu setzen. Mir wurden unterschiedliche „eigenartige“ Vorgänge geschildert. Über einen davon ist seit heute zu lesen: „Noch absurder und komplett pietätlos war eine Tätigkeit, die ich gemeinsam mit zwei anderen Zivis ebenfalls im Rahmen der Instandhaltung erledigen musste: Unsere Aufgabe war es, hinter den ehemaligen Häftlingsbaracken einen Graben für neu zu verlegende Blitzableiter auszuheben. Wir Zivis wussten, dass sich an diesen Stellen zur Zeit des KZ Blumenbeete befanden, die mit den Überresten aus den Krematorien—also den Öfen, in denen tote Häftlinge verbrannt wurden—gedüngt wurden. Obwohl wir ganz klar unsere Kritik äußerten, mussten wir uns an die Arbeit machen und unsere Bedenken wurden einfach abgewehrt. Nur wenige Zentimeter später stießen wir schon auf Asche und Knochenstücke. Wenn ich jetzt darüber schreibe, wird mir immer noch schlecht und ich kann es nach wie vor nicht fassen—weder, dass wir diese Aufgabe tatsächlich bekommen hatten, noch, dass wir überhaupt mit dem Graben anfingen. Vor allem ist es mir aus heutiger Sicht unverständlich, dass wir uns einzelne Stücke genau ansahen, auf der Fensterbank der Baracke auslegten und sogar Handy-Fotos davon machten. Wir kamen dadurch mit dem Graben so langsam voran, dass wir irgendwann von einem fix angestellten Mitarbeiter abgelöst wurden. Dieser grub ohne für uns erkennbare Bedenken den Rest auf. Was mit den mehr oder minder unabsichtlich exhumierten Knochenstücken passiert ist, haben wir bis heute nicht erfahren. Einer meiner Kollegen hat sogar explizit bei der Gedenkstätten-Leitung danach gefragt, wurde aber ignoriert.“ (http://www.vice.com/alps/read/kz-gedenkstaette-mauthausen-zivildienst-erinnerungen-987?utm_source=vicefbalps)
Vielleicht aber können Sie mir jene Antwort geben, die den Zivildienern verweigert wurde?
Zu erst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich in diesem Maße um die Aufarbeitung der NS-Gräueltaten kümmern und so viel Herzblut in diese zweifellos wichtige aber oft vernachlässigte Aufarbeitung stecken.
Ich hoffe Sie haben sich auch bereits mit den Zuständigen des Innenministeriums für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen oder der von Ihnen vielfach kritisierten Verwaltung in Verbindung gesetzt. Denn ich finde es nicht sehr zielorientiert Ihre Kritik an den anscheinend derzeit vorherrschenden Misständen in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen nur über Ihren Blog zu veröffentlichen. Meiner Meinung wäre es um einiges gewinnbringender für alle Beteiligten sich an einen Tisch zu setzen und über die derzeitigen Verhältnisse/Missstände offen zu diskutieren und eventuell gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten.
Dass Leichenüberreste nicht ordnungsgemäß bestattet worden wären, wage ich aber stark zu bezweifeln.
Auch verstehe ich Ihre Kritik zu den Sperrungen bei Schneefall oder Eis nicht, da dies meines Wissens nach bei jedem öffentlichen Gebäude der Fall ist. Hier handelt es sich doch rein um eine Haftungsfrage und ich kann verstehen, dass die KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Winter bei starkem Schneefall nicht die Begehbarkeit aller Stellen des riesigen Areals zulassen kann, da es sicher nicht möglich sein wird die Sicherheit aller Besucher und Besucherinnen am gesamten Areal zu gewährleisten. Spontan fällt mir da z. B. die Todesstiege ein.
Bitte korrigieren Sie mich und sehen Sie meinen vorherigen Absatz als gegenstandslos an, wenn ich falsch liege, aber ich bin von der Tatsache ausgegangen, dass es sich bei der Wintersperre nur um vereinzelte Örtlichkeiten handelt, bei denen die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher nicht gewährleistet werden kann und nicht etwa um eine komplette Sperrung der gesamten Gedenkstätte.
Danke für die konstruktive Rückmeldung und das Lob für meinen Einsatz.
Zu Ihren Kritikpunkten: Zu den nicht ordnungsgemäß bestatteten Leichenresten habe ich in meiner obigen Antwort schon Stellung bezogen. Ich beziehe mich dabei auf Augenzeugen und ehemals in Mauthausen tätige Personen. Inzwischen liegt das teilweise sogar veröffentlicht vor.
Zur Schneeräumung: So wie das auf der Tafel steht, bezieht sich die Warnung auf die gesamte Fläche der Gedenkstätte.
Der Rückgang an Besuchern ist auch durch den wirtschaftlichen Einbruch in Italien verursacht, die einen grossen Teil der Besucher stellen. Inzwischen erholen sich die Zahlen wieder, sind aber noch weit vor 2009 zurück.
Der Schließtag wurde unter der Prämisse eingeführt, die personellen Ressourcen besser einsetzen zu können. Geändert hat sich allerdings so gut wie überhaupt nichts. Die Baracken werden so wie früher bereits um 17 Uhr geschlossen, obwohl die Besuchszeit erst um 17.30 endet.
Inkompetenz, Ignoranz, Amtsschimmel und Eitelkeiten sind die Themen an der Gedenkstätte. Wer glaubt, dass dort seitens der öffentlichen Verwaltung eine seriöse Arbeit unternommen wird, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Mich irritieren hier etwas die Kommentare zu der allgemein üblichen Warntafel zur Winterzeit. Es handelt sich wohl bei der Gedenkstätte Mauthausen um ein sehr großes Gelände. Dass hier bei starkem Schneefall nicht sofort das ganze Gelände geräumt werden kann ist klar, so werden Besucher wohl sicherheitshalber nochmals auf die Verhältnisse hingewiesen.
Lieber zuviel Sorgfalt als zuwenig.
Sehe ich durchaus auch so, Vorsicht ist wichtig – aber die Sperrung des ganzen Geländes ist schon etwas heftig!