Es war ein erhebender Moment gestern Abend im Parlament: Gemeinsam mit den Regierungsparteien haben wir die rückwirkende Aufhebung von NS-Urteilen beschlossen. Nach Beschlussfassung trat der seltene Fall ein, dass die Abgeordneten aufgestanden sind und applaudierten. Übrigens: Die beiden Rechtsparteien haben das Gesetz zwar abgelehnt, aber wohltuend sachlich argumentiert. Unser Antrag, die Vorgeschichte und Dokumente sind auf der Homepage meines Kollegen Albert Steinhauser bestens zusammengefasst und herunterladbar.

Mit diesem Gesetz sind Urteile gegen Deserteure, Wehrdienstverweigerer, Homsosexuelle, Kärntner Partisanen und viele andere NS-Opfer-Gruppen pauschal aufgehoben.

Dieses Gesetz zieht auch einen Schlussstrich gegenüber einem unsäglichen Umgang mit der Vergangenheit, den es in dieser Republik nach 1945 auch (!) gegeben hat. Ich spreche die „Opferthese“ an: Österreich als erstes NS-Opfer und das Verschweigen, dass Österreich auch einen Anteil am nationalsozialistischen Verbrecherregime gehabt hat.

Kern für die Ablehnung durch FPÖ und BZÖ war, dass sie bei der Aufhebung der Urteile gegen Deserteure eine sogenannte Einzelfallprüfung verlangten. Ich habe darauf Folgendes gesagt:

„Kollege Fichtenbauer, Sie haben selber die NS-Terrorjustiz in der Wehrmacht mit der Militärjustiz in den anderen Armeen des Zweiten Weltkriegs verglichen und die Unterschiede festgestellt. Es wäre da vielleicht noch hinzuzufügen, dass es Schätzungen von Historikern gibt, die bis zu 50.000 vollstreckten Todesurteilen reichen. Im Vergleich dazu gab es in Deutschland im Ersten Weltkrieg 48 vollstreckte Todesurteile. Das zeigt den Terrorgehalt dieser Urteile. Und wenn Sie sich diese Urteile anschauen – ich habe viele von ihnen gelesen, Urteile, die im Geiste eines Roland Freisler geschrieben wurden, dann werden Sie doch nicht im Ernst glauben können, dass wir heute, 70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in der Lage sind, Motive zu erforschen. Diese Urteile und diese Akten strotzen vor nationalsozialistischer Propaganda, es sind Pamphlete gegen die Verurteilten. Das hat mit Rechtssprechung überhaupt nichts zu tun. Aufgrund dieser Akten können wir heute beim besten Willen keine Einzelfallprüfung mehr vornehmen. … Deserteure im Zweiten Weltkrieg haben objektiv das Richtige getan. Sie haben objektiv das getan, was die Siegermächte, die späteren Siegermächte, am 1. November 1943 in der Moskauer Deklaration festgelegt haben. Sie haben einen Beitrag geleistet zur Wiedererrichtung Österreichs. Das ist von den Alliierten damals gefordert worden, und das haben Deserteure gemacht. Warum sie im Einzelfall diese Tat begangen haben, das ist heute aus dieser Sicht irrelevant, das ist in einer anderen Diskussion, glaube ich jedenfalls, von großem Interesse.“

Eine bisschen Eigenlob darf sein: Terezija Stoisits, Andreas Wabl und andere sind die eigentlichen Mütter und Väter dieses Gesetzes. Ich zitiere die „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 14. Oktober 2009:

„Dieser Durchbruch ist vor allem einem überparteilichen Komitee mit dem heute 87-jährigen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani an der Spitze und dem während zehn Jahren hartnäckig geleisteten Einsatz der Grünen im Kampf gegen Tabus und Vorurteile zu verdanken.“