Karl Öllinger hat eine spannende Anfrage zum Vollzug des Anerkennungsgesetzes bzw. Opferfürsorgegesetzes gestellt. Dieses Gesetz ermöglicht es seit der Novellierung im Jahr 2005 auch den bis dahin nicht berücksichtigten Opfern des NS-Staates (Opfer der Wehrmachtsjustiz, Homosexuelle etc.), eine Entschädigung zu bekommen.

Das niederschmetternde Ergebnis: Die Bearbeitungszeit der Akten war trotz des fortgeschrittenen Alters der Antragsteller überlang. Negativer Spitzenreiter ist Kärnten, gefolgt von Vorarlberg. Wer sich die Anfragebeantwortung genau anschaut, sieht zudem, dass sie die reale Situation sogar noch beschönigt.

Laut Land Vorarlberg bspw. sind zwei der vier Antragsteller während der Bearbeitungszeit gestorben. Aber auch diese Angaben sind unvollständig, da zumindest ein bekannter Fall (Tobias Studer aus Thüringerberg) nicht erfasst wurde.

Interessant ist die Geschichte von August Weiß. Er ist als Deserteur von einem NS- Militärgericht zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden und stellte einen entsprechenden Antrag. Dann kontaktierte ihn ein Mitarbeiter der zuständigen Abteilung IV a der Vorarlberger Landesregierung im Jahr 2005. Im Zuge dieses Gesprächs, in dem es um die Abklärung von bleibenden Haftschäden ging, zog August Weiß seinen Antrag auf Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz zurück. Das verwundert, denn er hätte aufgrund seiner Haft im gefürchteten Emslandlager Aschendorfermoor (das als KZ-Haftstätte aufgelistet wird) jedenfalls Anspruch auf eine Amtsbescheinigung und damit eine Opferrente gehabt und hätte auch dementsprechend informiert werden hätte müssen. Erst nachdem ich die Medien in dieser Woche informiert habe, hat die Landesrätin gestern ein „Schuldeinbekenntnis“ abgegeben.

Das wäre nicht notwendig gewesen. Eine ausgewiesene Expertin im Bereich der NS-Militärjustiz hat dem Amt der Vorarlberger Landesregierung schon im September 2005 ihre Hilfestellung im Fall Weiß und in anderen Fällen angeboten, um ein offensichtliches Informationsdefizit in der Beurteilung der Verfolgung von NS-Militärjustizopfern zu bereinigen. Der Brief blieb jedoch bis heute unbeantwortet.

Die beamtische Denkweise ist Teil des Problems: es gibt wenig Einsicht, es gibt kaum Information der Opfer. Ein Problem dabei ist die Tatsache, dass die Opfer der Militärjustiz, Homosexuellen, Asozialen keine offiziellen Opferverbände haben.

Gestern Abend gab es dazu einen ORF-Beitrag: Grüne prangern Verzögerungstaktik an.

Wichtig wäre aus meiner Sicht, mögliche Antragsteller überhaupt Aufmerksam zu machen. Ich fordere in diesem Zusammenhang das Land auf, eine Informationsoffensive zu starten. Dabei geht es weniger um die vergleichsweise sehr geringe Entschädigung, sondern darum, diesen Opfern öffentliche Anerkennung und ihre Würde zurückzugeben. Sie wurden nämlich nicht nur im NS-Staat, sondern auch in der 2. Republik diffamiert und ausgegrenzt.