Was bitte reitet Josef Christian Aigner, wenn er einen Fernsehbericht über das südkoreanische Schulsystem zu einer Generalabrechnung mit dem PISA-Test nützt (Pisa: Legitimation für Gewalt an Kindern?)? PISA ist ein Testformat und kein Bildungssystem und kann somit weder für das Schulsystem in Korea noch für jenes in Österreich verantwortlich gemacht werden. Oder ist der Taschenrechner, der uns Auskunft über die Hypo-Defizite gibt, verantwortlich für die daraus folgende Belastung für die Steuerzahler? Ist die Uhr verantwortlich, wenn man sich verspätet?

Man kann die PISA-Testungen natürlich kritisieren. Und man soll es tun. So ist es ein Problem, dass es in den verschiedenen Ländern eine sehr unterschiedliche Vertrautheit mit den Aufgabenformaten gibt, dass die USA die Mindest-Schulteilnahmequote von 65 Prozent ungestraft unterschreitet oder in denn verschiedenen Ländern lernbehinderte Jugendliche nach sehr unterschiedlichen Kriterien ausgeschlossen werden.

PISA sagt zudem nicht aus, wie „gut“ unsere Schulen sind. Es sagt nur aus, in welchem Ausmaß unsere Jugendlichen in den Grundfertigkeiten sind, wie gut sie lesen, schreiben und rechnen können, welche Kompetenzen sie im naturwissenschaftlichen Bereich haben. Über die soziale Kompetenz unserer Jugendlichen sagt PISA nichts aus. Es gibt aber auch nicht vor, das zu tun.

Die größte Leistung von PISA war und ist, dass ein Problembewusstsein entstanden ist, dass allgemein anerkannt ist, dass sich in unserem Schulsystem Grundlegendes ändern muss. Wer einmal mit Lehrlingsausbildnern gesprochen hat, weiß, dass die schlechten österreichischen Ergebnisse leider sehr genau die Realität abbilden.

Wir wissen nicht nur wegen, aber eben auch dank PISA, dass unser Bildungssystem Kinder aus „bildungsfernen“ Schichten stärker als in vergleichbaren Ländern benachteiligt. Klar ist ebenso, dass unser System auch besonders begabte Kinder weder ausreichend fördert noch fordert. Und wir wissen, dass die viel zu frühe Trennung von Kindern mit neuneinhalb Jahren sachlich nicht zu rechtfertigen ist.

Über all diese Punkte kann auf Basis der PISA-Daten diskutiert werden – und es wird darüber diskutiert. Das Problem: Den politisch Verantwortlichen passen diese Diskussionen aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Und die Konservativen sind sowieso davon überzeugt, dass früher alles besser war und wir nur das Rad der Zeit zurückdrehen müssen. Aber was reitet den von mir ansonsten sehr geschätzten Josef Christian Aigner?

Dass er sich zur haarsträubenden These hinreißen lässt, die PISA-Testungen seien eine „Legitimation für Gewalt an Kindern“ ist verstörend. PISA testet Jugendliche, gibt kein Schulsystem vor und legitimiert auch keines. Ich kenne zudem niemanden in Österreich, der aufgrund positiver Testergebnisse in Südkorea bei uns das dortige Schulsystem einführen möchte. Ich kenne aber sehr viele, die positive Testergebnisse in den skandinavischen Ländern, in Südtirol oder in Polen zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, was an diesen – sehr unterschiedlichen – Schulsystemen für Österreich interessant wäre und was man allenfalls übernehmen könnte.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger ermöglicht uns PISA.

Für die „Grüne Schule“ gilt: „Kein Kind zurücklassen!“