In Berlin sind morgen 2,4 Millionen Menschen aufgerufen, darüber zu entscheiden. Soll Religion als Wahlpflichtfach eingeführt werden oder soll es beim gemeinsamen Ethikunterricht für alle bleiben? Der konfessionelle Religionsunterricht wäre in diesem Fall als freiwilliges Zusatzangebot vorgesehen. Die Auseinandersetzung um diese Frage wurde erbittert geführt.

Interessant erscheint mir, dass es keineswegs klare Fronten gab: hier die Religiösen, da die Atheisten und Agnostiker. Der Berliner Pfarrer Stephan Frielinghaus beispielsweise meinte zurecht, er wolle nicht, dass MigrantInnen nur aus der Sicht des Islam etwas über Homosexualität erfahren. Und katholische Kinder sollten nicht nur im katholischen Religionsunterricht etwas über Abtreibungen hören. Doch dann verstummte der Geistliche ganz plötzlich – wie der „Spiegel“ berichtet offenbar auf Druck von oben.

Der Pfarrer trat dafür ein, dass Ethik als Pflichtfach für alle SchülerInnen verbindlich bleibt und Religion als freiwilliges Zusatzangebot vorgesehen ist. Er liegt damit genau auf der Linie, die ich auch vertrete.

Und um gleich ein Argument zu entkräften: Nein, es wird keine arbeitslosen ReligionslehrerInnen geben. Denn zum einen brauchen wir sie nach wie vor für den konfessionellen Religionsunterricht, zum anderen unterrichten viele von ihnen ihr Fach heute schon ohne ideologische oder religiöse Scheuklappen im Sinne eines modernen „Religions- und Ethikunterrichts“. Sie können natürlich problemlos auch das neue Fach unterrichten.

Der konfessionelle Religionsunterricht ist heute an vielen Schulen nur mehr schwer zu organisieren, weil SchülerInnen sehr unterschiedlichen Konfessionen angehören und es sehr hohe Abmeldezahlen gibt. In Wien beispielsweise gehört nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung der katholischen Kirche an, Menschen ohne Bekenntnis sind bereits die zweitstärkste Gruppe. Der Staat hat auch bei uns Handlungsbedarf.

Die Zielsetzungen des Ethikunterrichts sind klar definiert: „Der Ethikunterricht orientiert sich an den aus der Aufklärung hervorgegangenen Grund- und Menschenrechten, auf denen auch die österreichische Bundesverfassung und unser Bildungswesen basieren. Er ist daher weder wertneutral noch wertrelativistisch, ohne aber einer bestimmten Weltanschauung verpflichtet zu sein. Er versteht sich nicht als Kompensationsfach für gesellschaftliche Probleme und Defizite, sondern unterstützt Schülerinnen und Schüler, in Fragen von Weltanschauungen, Werten und Normen zu differenzierten Beurteilungen und Handlungsmodellen zu gelangen.“