kurz_menschenrechteMan stelle sich vor: Das Bildungsministerium sucht Menschen, die ehrenamtlich in Schulen unterrichten! Argumentation: Es gibt grad so viele SchülerInnen, und es ist wichtig, dass die Unterricht erhalten. Das Finanzministerium sucht Freiwillige für Steuerprüfungen, weil gerade viele Steuererklärungen abzuarbeiten sind? Oder das Gesundheitsministerium will Ehrenamtliche, die in Krankenhäusern wegen einer Grippewelle den Notdienst übernehmen?

Absurde Vorstellungen, darüber sind wir uns vermutlich einig. Doch so etwas gibt’s bei uns: Auf der Website des – dem Integrationsministerium direkt unterstellten – Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) ist zu lesen: „Sie möchten sich freiwillige (sic!) im Bereich Sprachvermittlung für Flüchtlinge engagieren? Der ÖIF lädt zum Infoabend. (…) Mit dem neuen Angebot ‚Treffpunkt Deutsch’ im Integrationszentrum Wien unterstützt der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) engagierte Menschen, die sich ehrenamtlich betätigen möchten und Zuwander/innen (sic!) gerne einige Stunden in der Woche beim Erwerb und der Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse unterstützen.“ Wir lernen: Der ÖIF „unterstützt“ Personen, die kostenlos arbeiten wollen (oder sollen). Ich bin ja prinzipiell sehr für ehrenamtliches Engagement. Hier stellt sich die Lage jedoch völlig anders dar: Die Republik Österreich hat ihre Gesetze dermaßen gestaltet, dass AsylwerberInnen, deren Verfahren nicht abgeschlossen ist, vom Staat nur eine Grundversorgung erhalten sollen. Sprachkurse sind nicht vorgesehen. Argument: Die Leute sollen nicht zu sehr integriert werden, denn sie könnten dann ja noch eher bleiben wollen. Dennoch ist es ureigene Aufgabe eines Staates, der sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt und die Genfer Flüchtlingskonvention mitunterzeichnet hat, eine angemessene Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten.

Der ÖIF spricht nun in seiner Ausschreibung von „Asylberechtigten“ als Zielgruppe der Freiwilligenleistungen, also wohl nur von bereits anerkannten Flüchtlingen, argumentiert aber mit der um 160% gestiegenen Zahl der Asylanträge, um den Aufruf an die Ehrenamtlichen zu rechtfertigen.

Spätestens hier wird der als „Angebot“ titulierte Aufruf zur Chuzpe. Der Staat, namentlich das Integrationsministerium, hat dafür Sorge zu tragen, dass ein ausreichendes Sprachangebot zur Verfügung gestellt wird – nicht zuletzt deshalb, weil von Zugewanderten Deutschkenntnisse für den Verbleib nachgewiesen werden müssen. „Integration durch Leistung“ ist ja der Lieblingsslogan von Minister Sebastian Kurz, das Erlernen der deutschen Sprache ist für ihn auf der Stufenleiter der zu erbringenden Leistungen, ganz weit oben. Nun wissen wir, dass das vom Innenministerium bereitgestellte Budget für Deutschkurse bei weitem nicht mehr ausreicht. Jetzt sollen es also Ehrenamtliche richten und kostenlos unterrichten. Mit der Qualifikation der Unterrichtenden nimmt man es nicht ganz so streng und appelliert an „Lehrer/innen (aktiv oder pensioniert) Student/innen (Pädagogik, Kommunikationswissenschaften, Germanistik, etc.) Personen mit Trainings- oder Unterrichtserfahrung“ (alle Beistrichfehler im Original). Jetzt frage ich mich: Was qualifiziert etwa Studierende der Kommunikationswissenschaft dazu, Deutsch als Fremd-/Zweitsprache zu unterrichten? (Von „etc.“ rede ich erst gar nicht.) Und vor allem: Warum soll irgendjemand eine Arbeit kostenlos verrichten, die der Staat zu bezahlen hat?

Dass nun die Zivilgesellschaft einspringen muss, weil die Republik Österreich nicht willens ist, für AsylwerberInnen menschenwürdig zu sorgen, betrachte ich als Schande. Dass so viele ÖsterreicherInnen zur Zeit dennoch Unmengen an Unterstützungsleistungen erbringen und auch Sprachunterricht erteilen, weil sie sich der Solidarität und Menschlichkeit verpflichtet fühlen, ist großartig. Dass aber Integrationsminister Kurz solche Freiwilligenleistungen in Anspruch nimmt, um gleichzeitig für PR-Kampagnen wie #stolzdrauf das Geld hinauszupulvern, dafür habe ich genau null Verständnis! Im Übrigen fordere ich BM Kurz und BM Mikl-Leitner auf, den letzten Rechnungshofbereicht zum ÖIF genauer anzusehen und rechtliche Schritte rund um die vom ÖIF im Korruptionssumpf versenkten Millionen einzuleiten.

(Foto: https://www.flickr.com/photos/minoritenplatz8/16527151039/)