9. Mai 2024

Ach, Europa!

2024-05-09T12:20:30+02:0009.05.24, 9:52 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , |

Das Projekt Europa wird immer mehr zu einem Überlebensprojekt Europa. Unter dem Titel „Wer rettet Europa?“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten diesen Kommentar publiziert:

Wenn es um die Zukunft der EU geht, sieht sich vor allem Frankreich in der Pflicht und auch gerne in der Hauptrolle. Zuletzt ist das wohl nicht ganz zufällig wieder kurz vor den Wahlen zum EU-Parlament Anfang Juni deutlich geworden.

An der Eliteuniversität „Sorbonne“ hielt Staatspräsident Emanuel Macron eine in seiner von Kommunikationsabteilung schon im Vorfeld hochgespielten „Rede an Europa“. Das hatte 2017 kurz nach seinem Amtsantritt schon nicht so richtig geklappt. Diesmal reichte es gar nur für eine 24-Stunden-Aufmerksamkeitsspanne. Was in Erinnerung bleiben könnte, ist seine zentrale Aussage, Europa sei „sterblich“. Das allerdings haben wir zuvor auch schon befürchtet.

Auch aus Deutschland¬¬, traditionell seit Jahrzehnten der engste Partner in der EU, gab es eine eher zurückhaltende Reaktion. Bundeskanzler Olaf Scholz meinte, Frankreich und Deutschland wollen, „dass Europa stark bleibt“. Das wiederum haben wir zuvor auch schon gehofft.

„Starkes Europa“

Immerhin gab es Hinweise darauf, wie ein „starkes Europa“ ausschauen soll: gefordert wurde eine ehrgeizige Rüstungs- und Industriepolitik und eine Verdoppelung der finanziellen Mittel für die EU. Darf das wahr sein? Will man damit die Herzen der Menschen gewinnen? Dazu wird es deutlich mehr brauchen. Eine „Sozialunion“ etwa mit einem gerechten Steuersystem und Hilfe für all jene, die sie brauchen, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit sowie klima- und umweltfreundliche „Enkeltauglichkeit“.

Es ist lange her, dass charismatische Persönlichkeiten in der Lage waren, Zuversicht zu vermitteln und Lösungsansätze zu präsentieren. Man denke etwa an Leopold Figl oder Bruno Kreisky, auf europäischer Ebene an einen Charles de Gaulle oder Willy Brandt. Heute dominiert Pessimismus, statt Lösungsansätzen gibt es Fatalismus. Der Brexit war der erste Hammerschlag, seither arbeiten Rechtsextreme und Rechtspopulisten weiter daran, das fragile europäische Konstrukt und die nationalen Demokratien zu unterminieren.

Klar ist auch, dass unser Kontinent immer mehr an Bedeutung in der Welt verliert, zuletzt sogar im ökonomischen Bereich: Die EU wächst wirtschaftlich deutlich langsamer als die USA oder China, militärisch ist man ein offenkundiger Büttel der USA.

Statt eine europäische Idee zu präsentieren, forderte Macron „Lösungen“, die vor allem der französischen Militärindustrie zugutekämen. Damit wird man keine Begeisterung für das „Projekt Europa“ erreichen.

Geht es bei der Wahl im Juni bereits um das große Ganze? Ist die EU in Gefahr? Politische Visionen sind jedenfalls nicht in Sicht, destruktive Kräfte aber sehr wohl. Statt auf europäischer Ebene Lösungen zu präsentieren für die großen Herausforderungen dominieren nationale Alleingänge, Kleingeistigkeit und destruktive Kräfte. Wir sind gut beraten, die kommenden Wahlen zum EU-Parlament so ernst zu nehmen, wie sie es sind, um die bedrohlichen Trends zu stoppen!

14. Februar 2024

„Zerbröselt“ die EU?

2024-02-15T11:55:21+01:0014.02.24, 14:55 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , |

Was hat das vor allem von Deutscland, aber auch von Österreich verursachte Scheitern der sogenannten „EU-Lieferkettenrichtlinie“ am vergangenen Freitag mit dem Vorarlberger Wäscheherstellers Huber Holding AG zu tun? Mehr als man glaubt. Zudem ist es verantwortungslos, dass Länder wie Deutschland und Österreich mit falschen Argumenten die EU vor gewaltige Probleme stellen. Unter dem Titel „’Zerbröselt‘ die EU?“ habe ich dazu in einem Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:

Für überzeugte Europäer war das vergangene Wochenende frustrierend. In populistischer Manier wurde wieder einmal eine wichtige Maßnahme zu Fall gebracht – die sogenannte „Lieferkettenrichtlinie“. Der Vorgang ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert, einerseits weil nicht die „üblichen Verdächtigen“ wie Viktor Orbán als Blockierer unterwegs waren, sondern Länder wie Deutschland und leider auch Österreich. Andererseits wegen des Inhalts der Richtlinie, deren Bedeutung ja nicht zuletzt die aktuelle Meldung rund um den Vorarlberger Wäschehersteller Huber Holding AG zeigt.

Ungeregelte Lieferketten

Die Lieferkettenrichtlinie soll dafür sorgen, dass bei internationalen Handelsbeziehungen Umweltstandards und Menschenrechte eingehalten werden. Gleiche Spielregeln für alle liegen eigentlich auch im Interesse der Firmen, denn immer wieder haben in der Vergangenheit Skandale über unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern bestimmter Zulieferer zutage gefördert und große Konzerne in Schwierigkeiten gebracht.

Man denke etwa an die verheerende Brandkatastrophe vor eineinhalb Jahren in einer Fabrik in Bangladesch mit fast 50 Toten und etwa 200 zum Teil schwer verletzten Menschen. Dabei gelangten hochgiftige Chemikalien in die Gewässer und vergifteten die Umwelt. Daraufhin wurden unmenschliche Arbeitsbedingungen publik und europäische Konzerne wie Benetton oder Kik erlitten gewaltige Imageverluste.

Es braucht Regeln

Schon damals war klar: Es braucht Regeln, an die sich alle halten müssen. In der EU begannen mühsame Verhandlungen, die mit sachlich tragbaren Kompromissen endeten.

Doch kurz vor der geplanten Beschlussfassung am letzten Freitag war die notwendige Mehrheit plötzlich infrage gestellt, denn vor allem Deutschland – aber eben auch Österreich – wollten nicht mehr zustimmen. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner ortete auf einmal „unverhältnismäßige Bürokratie“.

Das ist Populismus pur, denn es braucht bürokratische Kontrollen, etwa wenn es um den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlicher Profitgier geht. Oder bezweifelt heute noch jemand, dass beispielsweise die Fahrzeiten für Bus- oder LKW-Chauffeure begrenzt und kontrolliert werden müssen? Ähnliches gilt für die Lebensmittelkontrolle oder generell für den Arbeits- und Verbraucherschutz.

„German Vote“

Der Rückzieher am Freitag war nicht der erste Querschuss des nördlichen Nachbarn. In der EU gibt schon einen Begriff für deutsche Unverlässlichkeit bei Abstimmungen: „German Vote“. Was denken sich da jene Staaten, die zuvor eigene Interessen zurückgestellt und zu Kompromissen bereit waren? Wie werden sie künftig bei Verhandlungen agieren?

Wer innerhalb der EU handelt wie zuletzt Deutschland und Österreich schwächt die EU zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich gestärkt werden sollte. Wir brauchen in dieser schwierigen Zeit ein starkes und einheitliches statt eines „zerbröselnden“ Europa. Ein verlässliches Deutschland ist da unabdingbar!

20. Juni 2022

Soll die Ukraine jetzt in die EU?

2022-06-20T10:10:29+02:0020.06.22, 10:06 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , |

Ist Ursula von der Leyen noch zu helfen? Die Präsidentin der EU-Kommission taumelt in der EU-Außenpolitik nur so dahin. Und die mächtigstens Staatschefs der Union unterstützen sie dabei oft sogar. Den Schaden haben wir alle. Sichtbar wird das derzeit vor allem in der Frage, ob die Ukraine rasch in die EU aufgenommen werden soll. Mein Kommentar dazu in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Ukraine in die EU?“. Hier zum Nachlesen:

Mit Olaf Scholz und Emmanuel Macron haben sich am Wochenende zwei der mächtigsten Männer Europas dafür stark gemacht, der Ukraine und Moldau den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzusprechen. Insgesamt stehen sieben weitere Staaten ante portas.

Der völkerrechtswidrige russische Krieg gegen die Ukraine hat in Europa zu einer ungeheuren Sympathie-Welle für das angegriffene Land geführt. In einem Kommentar im „Standard“ meinte am Samstag der Osteuropa-Experte Wolfgang Mueller: „Wenn Österreich die EU, die Demokratie und den Westbalkan stärken will, ist dem mit einem klaren Bekenntnis zum Kandidatenstatus der Ukraine am besten gedient.“

Problematische Verfassung

Das stimmt wohl nur zum Teil. Dass weitere Beitritte osteuropäischer Staaten die EU stärken, ist mehr als nur fraglich. Das liegt vor allem – aber nicht nur – an der EU selbst. Die derzeitige Verfassung der Staatengemeinschaft und die ausgeprägten Veto-Rechte der Mitglieder bringen die Gemeinschaft nämlich schon derzeit in arge Bedrängnis.

Vor allem Ungarn und Polen verhindern oder verzögern bei jeder Gelegenheit notwendige Entscheidungen. Die Aufnahme neuer Mitglieder könnte zu einer weiteren Lähmung der EU-Institutionen führen. Die Verfassung der Gemeinschaft provoziert das geradezu, denn etwa im Bereich der Außenpolitik gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Die Ukraine wäre künftig eines der größten Länder in der Gemeinschaft und brächte all seine außenpolitischen Probleme mit Russland, aber auch die massiven innenpolitischen mit.

In der derzeitigen Situation ist der von Macron entlehnte Vorschlag von Bundeskanzler Karl Nehammer, für die Ukraine einen „Vorbereitungsraum“ einzurichten, wohl der vernünftigste. Er stößt das Land nicht vor den Kopf und lässt gleichzeitig Putin nicht triumphieren.
„Politik der Gefühle“

In einer wunderbaren Analyse der österreichischen Innenpolitik („Politik der Gefühle“) hat der Schriftsteller Josef Haslinger einst beschrieben, welche irrationalen Faktoren Menschen zu problematischen Wahlentscheidungen veranlassen. Haslingers Analyse hat über unsere Landesgrenzen hinaus Gültigkeit.

Politikerinnen und Politiker sollten eigentlich nicht anfällig sein für Gefühlsentscheidungen. Immerhin bestimmen sie oft auf Jahrzehnte hinaus, wie sich ihre Staaten oder eben die EU entwickelt. Wollen wir eine starke und handlungsfähige Gemeinschaft, die in der Lage ist, auch außenpolitisch die Verwirklichung jener Werte zu sichern, die wir die „europäischen“ nennen?

Dann sollten wir uns wohl Gedanken darüber machen, wie die EU weiterentwickelt werden kann und ob am Ende nicht die föderalistisch aufgebauten „Vereinigten Staaten von Europa“ stehen müssen, die zumindest eine gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik betreiben, ohne dass einzelne Staaten ständig die Veto-Keule schwingen. Erst dann ist die EU reif für weitere Beitritte.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr…

Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments…