29. März 2021

Elefant im Porzellanladen

2021-03-29T08:56:20+02:0029.03.21, 8:55 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , |

Sebastian Kurz gebärdet sich in der EU derzeit wie der berüchtigte „Elefant im Porzellanladen“. Wie groß ist der außenpolitische Schaden, den er durch seine sachlich nicht gerechtfertigten Frontalattacken auf „die EU“  angerichtet hat. Dazu mein Kommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ unter dem Titel „Schaden für Österreich“. Hier zum Nachlesen:

Das deutsche Magazin „Der Spiegel“ bringt es auf den Punkt: „Sebastian Kurz hat sich verzockt.“ Besonnene Politikerinnen und Politiker in ganz Europa schüttelten in den vergangenen Tagen nur noch den Kopf: Was führt denn da der österreichische Bundeskanzler in Sachen Impfdosen auf?

Kurz tobt seit einiger Zeit über einen „Basar“ in Brüssel, wo man angeblich hinter verschlossenen Türen feilsche. Impfdosen würden auf unerklärliche Weise ungleich auf einzelne EU-Länder verteilt. An der ungleichen Zuteilung trägt aber nicht „die EU“ Schuld. Sie hat von Anfang an vorgeschlagen, den Impfstoff aller Anbieter gleichmäßig an die Mitgliedsstaaten aufzuteilen. Einige Länder waren dagegen, weil sie ganz bestimmte Hersteller bevorzugten. Nach den Lieferschwierigkeiten insbesondere von Astra Zeneca war die Zuteilung dementsprechend ungleich.

Gerechte Verteilung?

In dieser Notlage gelang es der EU, vom Hersteller Biontech/Pfizer kurzfristig zehn Millionen zusätzliche Impfdosen zu erhalten. Österreichs Kanzler forderte nun eine „gerechte“ Verteilung und machte sich zum Fürsprecher von Ländern wie Bulgarien, Lettland oder Kroatien.

Die EU hat letzte Woche im Sinne der europäischen Solidarität einen vernünftigen Vorschlag zur Verteilung des Kontingents gemacht: 30 Prozent der Dosen für Länder, die im Hintertreffen sind, die restlichen 70 Prozent entsprechend dem Bevölkerungsschlüssel. Einige Mitgliedsstaaten haben das blockiert, darunter leider auch Österreich.

Bei einer gleichmäßigen Verteilung bekäme Österreich entsprechend dem Bevölkerungsschlüssel 200.000 Impfdosen. Wenn aber die „Zukurzgekommenen“ im Sinne der europäischen Solidarität mehr bekommen sollen, bedeutet das logischerweise weniger Impfstoff für die anderen. Österreich, das bislang genau entsprechend der Bevölkerung beliefert wurde, fordert aber sogar 400.000 Dosen aus dem zusätzlichen Kontingent. Was denn jetzt?

Scherbenhaufen

Das fragen sich die anderen Länder auch. In den europäischen Hauptstädten reagiert man pikiert auf Österreich. Bei seinem Besuch in Berlin blieb die Tür ins Büro von Angela Merkel für Sebastian Kurz sogar verschlossen. Sie schickte ihn weiter zum Bundespräsidenten, der mit Impfdosen eher wenig zu tun hat.

Frankreichs Präsident Macron zeigte sich ebenfalls erbost über unseren Kanzler. Der niederländische Ministerpräsident schüttelte nur den Kopf, und Italiens Premierminister Mario Draghi meinte kurz und bündig: „Kurz wird keine einzige zusätzliche Dose erhalten.“

Was bleibt von den ungestümen Auftritten des Kanzlers? Ein außenpolitischer Scherbenhaufen und ein Schaden für Österreich. Wir sind innerhalb der EU isoliert und haben nur noch problematische Verbündete: zunehmend autoritär regierte Staaten in Osteuropa.

War’s das wert?

1. März 2021

Kann nur die EU helfen?

2021-03-01T09:10:25+01:0001.03.21, 9:10 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , , , |

Sie wird in vielen ihrer Mitgliedsländer viel gescholten – oft zu Unrecht. Von ihr kommen nämlich nicht selten innovative und vorwärtsweisende Initiativen. Sie hat auch die Kraft und die Stärke, diese gegen andere Wirtschaftsregionen und mächtige Konzerne durchzusetzen.

Und bei uns? Braucht es wirklich die EU, damit in Österreich sinnvolle Reformen durchgeführt werden? In einigen Fällen schon. Unter dem Titel „Teure Untätigkeit!“ habe ich dazu in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:

Seit Jahresbeginn zahlt Österreich eine „Plastikabgabe“ an die EU. Sie zahlen. Ich zahle. Wir alle zahlen sie mit unserem Steuergeld. Pro Jahr kostet uns das etwa 160 Millionen Euro. Geld, das wir in Corona-Zeiten gut gebrauchen könnten.

Doch damit nicht genug. Österreich hat bislang auch die EU-Richtlinie zur getrennten Sammlung von Einweg-Plastikflaschen nicht umgesetzt. Die Europarechtsexpertin Teresa Weber von der Universität Salzburg schätzt, dass uns das weitere bis zu 45 Millionen Strafzahlungen kosten wird. Die Frist endet Anfang Juli.

Plastikförderung

Vorgesehen wäre die Plastikabgabe von 80 Cent pro Kilogramm eigentlich für die Verursacher, also die Produzenten. Sie machen ja auch enorme Profite mit Plastikflaschen, Verpackungen usw. Die Profite bleiben in den Unternehmen. Uns bleiben die Kosten − und der Müll. Die Einführung der überfälligen Plastiksteuer ist an der ÖVP gescheitert. Wie war das noch mit dem Verursacherprinzip?

Wer Plastik nicht besteuert, fördert seinen Einsatz: Pro Kopf verbrauchen wir in Österreich denn auch 24 Prozent mehr Plastik als der europäische Schnitt. Im EU-Länder-Vergleich hat sich Österreich damit − so berichtet Greenpeace − innerhalb von zehn Jahren um 13 Plätze verschlechtert. Zudem wird bei uns nur ein Drittel des Plastikmülls recycelt. Malaysia hat uns gerade eine illegal dort entsorgte Schiffsladung mit Plastikmüll retourniert.

Konzerne besteuern

Und noch eine weitere Meldung mit EU-Bezug ließ aufhorchen: Die EU-Kommission will, dass große Konzerne jedem Land die Höhe des Umsatzes und die Zahl der Beschäftigten melden. Das ist dann die Grundlage für die Steuerleistung.

Bislang gibt es die groteske Situation, dass Besitzer eines Würstelstands teilweise mehr Steuern zahlen als der eine oder andere Großkonzern. Der Vorschlag der EU ist vier Jahre am Widerstand von Wirtschaftslobbys und konservativen Regierungen gescheitert. Man ahnt es: darunter auch Österreich. Erst in der gar nicht so schrecklichen Zeit unserer „Expertenregierung“ und dem freien Spiel der Kräfte im Nationalrat war es 2019 möglich, die Regierung zur Zustimmung zu dieser Initiative der EU-Kommission zu verpflichten.

Die EU ist alles andere als perfekt. Das gilt aber auch für Österreich. Die zwei erwähnten Vorgaben aus Brüssel sind sinnvoll. Nur eine wurde bislang umgesetzt. In Sachen Plastiksteuer warten wir noch darauf.

Nicht wenige erwarten angesichts der Differenzen zwischen Grünen und ÖVP schon die nächste Regierungskrise und baldige Neuwahlen. Dazwischen könnte es wieder eine Expertenregierung und ein freies Spiel der Kräfte im Nationalrat geben: Ein Armutszeugnis für die heimische Politik, wenn das wirklich die einzige Chance ist, diesen überfälligen Beschluss zu fassen.

E-Mail wurde erfolgreich kop
25. Mai 2020

Für oder gegen Europa?

2020-05-25T10:12:02+02:0025.05.20, 10:12 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , |

Die EU steht am Scheideweg: Geht es weiter als solidarische Gemeinschaft oder geht es nicht mehr weiter? Unter dem Titel „Schrebergarten-Mentalität?“ habe ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ die Haltung der „geizigen Vier“ – die sich selbst „sparsame Vier“ nennen – thematisiert. Gerade das Beispiel USA nach dem Zweiten Weltkrieg (Stichwort „Marshall-Plan“) sollte Sebastian Kurz & Co zu denken geben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Europa in Trümmern. In vielen Staaten sympathisierte ein Teil der Menschen mit dem sowjetischen Modell, der andere hatte wenig Hoffnung auf ein „Auferstehen aus Ruinen“. Wie sollte es weitergehen?

Da entwickelte der amerikanische Außenminister den nach ihm benannten „Marshallplan“. Es war ein riesiges Konjunkturprogramm. Die USA schickten Lebensmittel, Rohstoffe, Maschinen und Fahrzeuge nach Europa und vergaben zudem Milliarden-Kredite. Österreich bekam sogar Geld geschenkt. Die USA handelten dabei auch (!) eigennützig, denn der Einfluss der UdSSR wurde zurückgedrängt, die Europäer kauften amerikanische Waren und kurbelten so die US-Wirtschaft an.

Merkel-Macron-Plan

Eine ähnliche Idee bewog Angela Merkel und Emanuel Macron zu ihrem Programm für den Wiederaufbau nach der Corona-Krise: 500 Milliarden Euro sollen in Form von Zuschüssen zur Verfügung gestellt werden.

Der Plan hat eine Schwäche, weil er die Klimakrise ignoriert: Das Geld soll an Automobilindustrie, zivile Luftfahrt und Massentourismus gehen. Weiter mit Vollgas auf die Wand zu? Das kann nicht sinnvoll sein. Investitionen müssen ein Umdenken signalisieren und die Situation für ein Comeback des sozialen Gedankens in der Politik und den versprochenen „Green Deal“ nützen. Die EU-Kommission fordert daher zurecht bis zu 60 Milliarden Euro für emissionsfreie Antriebe sowie weitere Mittel für Elektroladesäulen usw. Das Geld ist dringend nötig. Den reicheren Staaten nördlich der Alpen blieben so zentrale Handelspartner erhalten. Hochverschuldete Länder hingegen könnten ihre Wirtschaft wieder mit zukunftsweisenden Investitionen in Schwung bringen und somit Staatseinnahmen sichern. Ansonsten droht der wirtschaftliche Kollaps, der schlussendlich alle mit in einen Abwärtsstrudel ziehen würde.

Woche der Wahrheit

Doch was passierte? Bundeskanzler Sebastian Kurz preschte im Bündnis mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden (die „geizigen Vier“) vor. Sie fordern „Kredite statt Zuschüsse“ und könnten den Vorschlag noch scheitern lassen. Wie auch Deutschland „zahlen“ sie ja derzeit teilweise Minus-Zinsen – bekommen also bei Kreditaufnahmen Geld geschenkt. Aber Italien, Griechenland oder Spanien? Wie sollen sie weitere Zinsbelastungen stemmen?

Wirtschaftswissenschaftler weisen seit Jahren darauf hin, dass die früheren Hartwährungs-Länder auf Kosten der südlichen Staaten vom Euro profitieren und die wirtschaftliche Schere immer weiter auseinandergeht. Hilfe für diese Länder ist angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtungen zum Nutzen aller. Immerhin ist beispielsweise Italien Österreichs zweitwichtigster europäischer Handelspartner.

Diese Woche geht’s in Brüssel ans Eingemachte. Die EU-Kommission muss ein konsensfähiges Modell präsentieren. Es ist zu hoffen, dass es zu einem vernünftigen Kompromiss kommt und die europäische Solidarität Oberhand gewinnt vor einer verhängnisvollen Schrebergarten-Mentalität.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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