Kann nur die EU helfen?

2021-03-01T09:10:25+01:0001.03.21, 9:10 |Kategorien: Arbeit und Wirtschaft|Tags: , , , |

Sie wird in vielen ihrer Mitgliedsländer viel gescholten – oft zu Unrecht. Von ihr kommen nämlich nicht selten innovative und vorwärtsweisende Initiativen. Sie hat auch die Kraft und die Stärke, diese gegen andere Wirtschaftsregionen und mächtige Konzerne durchzusetzen.

Und bei uns? Braucht es wirklich die EU, damit in Österreich sinnvolle Reformen durchgeführt werden? In einigen Fällen schon. Unter dem Titel „Teure Untätigkeit!“ habe ich dazu in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ Stellung bezogen. Hier zum Nachlesen:

Seit Jahresbeginn zahlt Österreich eine „Plastikabgabe“ an die EU. Sie zahlen. Ich zahle. Wir alle zahlen sie mit unserem Steuergeld. Pro Jahr kostet uns das etwa 160 Millionen Euro. Geld, das wir in Corona-Zeiten gut gebrauchen könnten.

Doch damit nicht genug. Österreich hat bislang auch die EU-Richtlinie zur getrennten Sammlung von Einweg-Plastikflaschen nicht umgesetzt. Die Europarechtsexpertin Teresa Weber von der Universität Salzburg schätzt, dass uns das weitere bis zu 45 Millionen Strafzahlungen kosten wird. Die Frist endet Anfang Juli.

Plastikförderung

Vorgesehen wäre die Plastikabgabe von 80 Cent pro Kilogramm eigentlich für die Verursacher, also die Produzenten. Sie machen ja auch enorme Profite mit Plastikflaschen, Verpackungen usw. Die Profite bleiben in den Unternehmen. Uns bleiben die Kosten − und der Müll. Die Einführung der überfälligen Plastiksteuer ist an der ÖVP gescheitert. Wie war das noch mit dem Verursacherprinzip?

Wer Plastik nicht besteuert, fördert seinen Einsatz: Pro Kopf verbrauchen wir in Österreich denn auch 24 Prozent mehr Plastik als der europäische Schnitt. Im EU-Länder-Vergleich hat sich Österreich damit − so berichtet Greenpeace − innerhalb von zehn Jahren um 13 Plätze verschlechtert. Zudem wird bei uns nur ein Drittel des Plastikmülls recycelt. Malaysia hat uns gerade eine illegal dort entsorgte Schiffsladung mit Plastikmüll retourniert.

Konzerne besteuern

Und noch eine weitere Meldung mit EU-Bezug ließ aufhorchen: Die EU-Kommission will, dass große Konzerne jedem Land die Höhe des Umsatzes und die Zahl der Beschäftigten melden. Das ist dann die Grundlage für die Steuerleistung.

Bislang gibt es die groteske Situation, dass Besitzer eines Würstelstands teilweise mehr Steuern zahlen als der eine oder andere Großkonzern. Der Vorschlag der EU ist vier Jahre am Widerstand von Wirtschaftslobbys und konservativen Regierungen gescheitert. Man ahnt es: darunter auch Österreich. Erst in der gar nicht so schrecklichen Zeit unserer „Expertenregierung“ und dem freien Spiel der Kräfte im Nationalrat war es 2019 möglich, die Regierung zur Zustimmung zu dieser Initiative der EU-Kommission zu verpflichten.

Die EU ist alles andere als perfekt. Das gilt aber auch für Österreich. Die zwei erwähnten Vorgaben aus Brüssel sind sinnvoll. Nur eine wurde bislang umgesetzt. In Sachen Plastiksteuer warten wir noch darauf.

Nicht wenige erwarten angesichts der Differenzen zwischen Grünen und ÖVP schon die nächste Regierungskrise und baldige Neuwahlen. Dazwischen könnte es wieder eine Expertenregierung und ein freies Spiel der Kräfte im Nationalrat geben: Ein Armutszeugnis für die heimische Politik, wenn das wirklich die einzige Chance ist, diesen überfälligen Beschluss zu fassen.

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