19. Juli 2015

Österreich, eine Nation von BildungsexpertInnen?

2015-07-19T17:42:55+02:0019.07.15, 17:28 |Kategorien: Bildung, Integration, Parteien|Tags: , , |

kindergruppeIntegrationsminister Sebastian Kurz hat sich wieder zu Wort gemeldet. Anlässlich der Präsentation des „Integrationsberichtes 2015“ formulierte er nicht zum ersten Mal die Forderung nach Vorbereitungsklassen für – ja für wen denn eigentlich? Einmal heißt es für schulische QuereinsteigerInnen (also Kinder, die nicht die traditionelle Schullaufbahn ab der ersten Klasse Volksschule bei uns durchlaufen, sondern eben später einsteigen) – und damit entspräche diese Ansicht jener des von Kurz selbst eingesetzten Integrationsbeirats –, andere Male (besonders in Vorwahlzeiten, wenn der Diskurs in Richtung Populismus gehen soll) meint er, „es brauche eine Änderung des Pflichtschulgesetzes, in der ‚klar hervorgeht’, dass jedes Kind in Deutsch fit sein müsse, bevor es in das Regelschulsystem wechselt.“ (http://derstandard.at/2000019324545)

In der wissenschaftlichen Community werden getrennte Klassen de facto einhellig abgelehnt, weil sich aus diversen Studien ablesen lässt, dass Kinder in einem gemischten Klassenverband die Unterrichtssprache viel schneller lernen als in einer Gruppe, in der sich keine „MuttersprachlerInnen“ befinden. Zudem sind Kinder in separierten Gruppen schon vor Schuleintritt mit dem Stigma behaftet, ein Defizit mitzubringen. Sie beginnen ihre Schullaufbahn also bereits mit dem Rucksack eines symbolischen „Nicht genügend“.

Die Wiener Boulevardzeitung „Heute“ fasste nun die Statements der verschiedenen Parteien (in Wien) zusammen, und daraus lassen sich auch grob die bildungspolitischen Zielsetzungen der Parteien im Allgemeinen ablesen: Die SPÖ spricht sich gegen separierte Vorbereitungsklassen aus – gut so! In der Theorie weiß sie ja, wohin das österreichische Schulsystem gehen müsste. Die ÖVP stellt sich dagegen und unterstützt Sebastian Kurz, der schon im Hintergrund zündelt, indem er bedeutungsschwanger droht, er wolle „in dieser Sache ‚weiterbohren, weil es notwendig ist’.“ Wir kennen das schon aus anderen Diskussionen: Die ÖVP setzt Bildungsministerin Heinisch-Hosek unter Druck, die sich aufgrund des Budgetlochs, das sich in ihrem Ressort zunehmend auftut, und der mangelnden Unterstützung aus ihrer eigenen Partei in der Defensive befindet.

Die FPÖ sieht in diversen Statements ihre langjährige Forderung nach Ghettoklassen bestätigt, legt aber noch ein Schäuferl drauf, um die fremdenfeindliche Spirale nach oben zu drehen und erregt sich über Prüfungen abnehmende Sprachkursanbieter, „die wahlweise der SPÖ oder den Grünen nahe stehen“. Ganz abgesehen davon, dass die angesprochenen Sprachkurse nichts mit der schulischen Situation zu tun haben, unterschlägt die FPÖ, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), der die Zertifizierungsvorgaben für die Anerkennung von Deutschprüfungen macht, ÖVP-Minister Kurz unterstellt ist und auch als verlängerter Arm seiner Politik agiert. Das FPÖ-Motto lautet: Null Kompetenz in Bildungsfragen, dafür maximale Xenophobie.

Neos agiert nach dem Prinzip: Jede/r entscheidet, was er/sie will, was unter dem Label der „Schulautonomie“ verkauft wird. Neos übersieht dabei, dass Bildungspolitik die Aufgabe hat, nicht nur für die finanziellen Mittel zu sorgen, die an den Schulen verteilt werden, sondern in wesentlichen Eckpunkten auch zu steuern. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Turnsaal renoviert oder die Schul-EDV aufgerüstet wird, was freilich von den Schulen autonom entschieden werden kann, sondern um pädagogische Weichenstellungen, die inzwischen 25% aller österreichischen SchülerInnen betreffen.

Und weil wir nicht nur eine Nation mit Millionen von FußballtrainerInnen sind, sondern auch mit etwa gleich vielen BildungsexpertInnen, lässt „Heute“ darüber abstimmen, ob „Zuwandererkinder“ zuerst Deutsch lernen sollen, „bevor sie mit österreichischen Kindern zusammengelegt werden“ oder ob „die Integration (…) am besten in der Kombination mit österreichischen Kindern von Anfang an“ funktioniert. Nur, wie es am besten „funktioniert“, ist halt kein Abstimmungsgegenstand, sondern ein belegbares Resultat, das sich aus der realen Lernsituation ergibt.

(Foto: woodleywonderworks, http://piqs.de/fotos/163131.html)

12. Juli 2015

Separate „Flüchtlingsklassen“ – Wiener Vorwahlaktionismus

2015-07-12T18:34:53+02:0012.07.15, 18:17 |Kategorien: Bildung, Integration|Tags: , |

Bildung_Kind_ChancengerechtigkeitAm Freitag kündigte die im Wiener Stadtschulrat für Sprachförderung zuständige Ulrike Doppler-Ebner an, ab Herbst Klassen für Flüchtlingskinder einrichten zu wollen (Eigene Schulklassen für Flüchtlinge in Wien). Die gute Nachricht: Es wird etwas getan, sogar ein bisschen vorausblickend. Die schlechte Nachricht: Es wird irgendetwas getan. Separierte Klassen werden von der österreichischen Fachcommunity unisono abgelehnt . Und das zu Recht. Entlarvend dabei die Vorab-Rechtfertigung von Doppler-Ebner: „Wie man es macht, ist es verkehrt“, sagt sie: „Machen wir ein eigenes Konzept, passt es nicht, wenn wir keines machen, haben wir versagt.“ Nichts zu machen, ist jedoch nicht die Alternative zu einem schlechten Konzept, denn man könnte ja auch ein sinnvolles umsetzen.

Wie absurd und unreflektiert hier gehandelt wird, zeigt, dass die Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl prompt ihre Pressesprecherin zum Feuerlöschen aussandte, um der zu erwartenden Kritik mit einem an Merkwürdigkeit kaum zu überbietenden Statement zu begegnen. Diese betonte nämlich, „dass es sich um ein ‚Kurssystem’ handle und nicht um eine ‚Klasse’. Auch wenn die Kinder, wie sie der ‚Presse’ nochmals bestätigte, in eigenen Klassenzimmer unterrichtet werden sollen. Der Grund? Man könne das Wort ‚Klasse’ missverstehen, da die ‚Kurse’ auch unter dem Jahr gestartet und beendet werden können.“ So, was nun? Werden die Kinder separiert unterrichtet, aber unter dem Mascherl „Kurs“? Oder sind die Kinder in einem regulären Klassenverband integriert und erhalten zusätzliche Sprachförderung?

Um es klarzustellen: Es ist unumstritten, dass Kinder die Bildungssprache möglichst schnell erlernen und deshalb auch eine besondere Förderung erhalten müssen. Hier ist endlich ein bundesweites Konzept, das von den Kinderbetreuungseinrichtungen bis zum Ende der Volksschule reicht, vorzulegen und umzusetzen. Wie dies erfolgen könnte, habe ich nun schon mehrfach skizziert (So lernen alle Kinder Deutsch: unser Modell zur Sprachförderung). Es ist keineswegs notwendig, das Rad neu zu erfinden, denn wir können auf erfolgreiche Modelle zurückgreifen.

Was im Moment passiert, sind Maßnahmen, die in der Mühle zwischen den Zuständigkeiten verschiedener Ministerien und der einzelnen Bundesländer zu einem inkompetenten und ineffizienten Stückwerk verkommen. Dies geht nicht nur zu Lasten der betroffenen Kinder, sondern wird in Österreich auch zunehmend volkswirtschaftlich negative Konsequenzen zeitigen.

Die für Wien avisierten „Flüchtlingsklassen“ (oder Kurse) sind, so sieht es zumindest aus, wohl eher dem Kapitel „Vorwahlaktionismus“ zuzurechnen. Kluge, vorausschauende Bildungspolitik sieht jedenfalls anders aus.

27. März 2015

So lernen alle Kinder Deutsch: unser Modell zur Sprachförderung!

2015-07-12T11:53:40+02:0027.03.15, 11:43 |Kategorien: Bildung|Tags: , , , |

Bildung_Kind_ChancengerechtigkeitLangsam scheint es Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek zu reichen: Bei der Präsentation der Ergebnisse der Kremser Regierungsklausur war sie demonstrativ abwesend und hat anschließend das Ergebnis völlig anders interpretiert: Sie spricht sich klar gegen Ghettoklassen aus und hat damit auch unsere volle Unterstützung.

Denn sie wissen, was sie tun

Sebastian Kurz, Harald Mahrer & Co handeln fahrlässig – und das mit Vorsatz, denn sie müssten eigentlich wissen, was sie tun: Mit der Forderung nach separaten Sprachklassen vor Schuleintritt ignoriert die ÖVP die explizite Warnung aller ExpertInnen. Und selbst der von Kurz (!) eingesetzte Integrationsbeirat propagiert ein anderes Modell. Erschreckend ist, dass die ÖVP mit der frühen Trennung die soziale und auch eine ethnische Selektion bereits im Vorschulbereich festschreiben will und die verordnete Einsprachigkeit – auch das kommentieren ExpertInnen sehr kritisch.

Grünes Modell

Ich habe dem heute im Rahmen einer Pressekonferenz unser Modell gegenübergestellt. Basierend auf dem Hamburger Modell für Sprachenförderung (FörMig) und einer flexiblen Schuleingangsphase setzen wir auf ein Zweisäulenmodell. Dies bedeutet:
durchgängige Sprachenförderung von den Kinderbetreuungseinrichtungen bis in die Schule hinein, integrative Förderung der Erstsprachen und der Bildungssprache sowie gezielte Elternarbeit,
eine flexible Schuleingangsstufe für alle, die in der Regel zwei, aber bis zu drei Jahre dauern kann und Kindern die Möglichkeit gibt, sich ohne Diskriminierung zu entwickeln und individuell gefördert zu werden.

Details dazu sind in der Unterlage zu meiner heutigen Pressekonferenz (presseunterlage_27.3.15_sprachfoerderung) zu finden.

Übrigens kritisiert auch der OECD-Bildungsexperte Dr. Andreas Schleicher die Mentalität der Selektion: „Der hohe Grad an Selektivität in Österreich ist Ausdruck eines Systems, das Verantwortung abwälzt. (…) Und so werden Schüler, vor allem jene mit Migrationshintergrund, nach unten durchgereicht und bekommen nie eine reelle Chance, ihr Potenzial zu entfalten. Letztlich bezahlen dafür alle.“

Für die „Grüne Schule“ gilt: „Kein Kind zurücklassen!“

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

Hier erfahren sie mehr…

Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


Zur Seite des Parlaments…