16. August 2014

Sprache und Integration: Pauschallösungen gibt es nicht!

2015-05-03T10:09:52+02:0016.08.14, 14:31 |Kategorien: Integration|Tags: , , , |

Am 1. August veröffentlichte der Standard einen Kommentar des emeritierten Bildungs-wissenschaftlers Karl-Heinz Gruber. Tenor des Artikels war Grubers Aufruf an Eltern (und hier vor allem an die Mütter!) von MigrantInnen-kindern, mit ihrem Nachwuchs zu Hause doch Deutsch zu sprechen. In einem gebe ich Gruber recht: Dass nämlich die fundamentale muttersprachliche Sozialisation in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes stattfindet. Aber von welcher „Muttersprache“ redet Gruber? Nein, nicht von den Herkunftssprachen der Eltern, sondern erstaunlicherweise von Deutsch. Damit widerspricht Gruber allen Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung – entsprechende Reaktionen folgten denn auch postwendend von der Migrations- und Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger und vom Experten für Mehrsprachigkeitsforschung Hans-Jürgen Krumm.

Gruber ist mit einer Replik auf die Repliken dann etwas „zurückgerudert“, den Kern seiner Aussage hält er allerdings aufrecht: „Was ist daran auszusetzen, wenn Einwanderereltern dazu ermuntert werden, mit ihren Kindern Deutsch zu sprechen? Nichts.“ Sein Statement mag in manchen Ohren zwar gut klingen, bleibt aber auf einer seichten, populistischen Ebene, denn es gibt gerade hier laut Wissenschaft keine Antwort, die pauschal richtig wäre.

Grubers Kommentare zeigen ein Merkmal des österreichischen Integrationsdiskurses auf: Bestimmend sind vielfach jene, die sich mit der Materie kaum oder gar nicht wissenschaftlich beschäftigt haben. Dies reicht von manchen Medien über die FPÖ bis zum Expertenrat für Integration, in dem unter 17 Mitgliedern gerade einmal eine einzige wissenschaftlich ausgewiesene Expertin für Sprachenfragen, nämlich die Linguistin Ruth Wodak, vertreten ist. Und genau sie hatte sich zu den im Vorfeld kolportierten Meldungen zum aktuellen Integrationsbericht des Expertenbeirats kritisch in Bezug auf die Deutsch-Vorbereitungsklassen für Kinder geäußert: „Da wird von segregierten Klassen gesprochen – davon ist im Bericht keine Rede.“ (http://derstandard.at/2000003518425). Tatsächlich wird im inzwischen erschienen Integrationsbericht 2014 die Einrichtung von „speziellen Vorbereitungsklassen für QuereinsteigerInnen“ nach dem Modell des Hamburger Kompetenzzentrums „FörMig“ (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund) empfohlen. Zentraler Pfeiler des FörMig-Konzepts ist allerdings eine durchgängige Sprachbildung, die auf regelmäßige Diagnosen (Sprachstandserhebungen) setzt und auf eine gezielte, individualisierte Förderung der Bildungssprache (dieser Terminus ist bewusst gewählt!), die an die bereits vorhandenen Ressourcen von Kindern und Jugendlichen knüpft. Aber hier, und auch das belegen Forschungen, braucht es ein entsprechendes Diagnoseinstrumentarium und dann vor allem ExpertInnen, die fähig sind, die Daten zu interpretieren und auf sie in geeigneter Weise zu reagieren. Dafür benötigen wir ZUERST angemessene Arbeitsbedingungen in den Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen und exzellent ausgebildete PädagogInnen. Um jedoch so weit zu kommen, sind ein Umbau unseres Bildungssystems und eine radikale Umstrukturierung unserer LehrerInnenbildung notwendig. Es ist allerhöchste Zeit, sich dafür stark zu machen!

30. Dezember 2013

Sebastian Kurz lenkt bei Sprachförderung ein!

2013-12-30T09:50:00+01:0030.12.13, 9:50 |Kategorien: Bildung|Tags: , |

Man ist erstaunt und positiv überrascht: per Twitter teilt der für Integration zuständige Minister Sebastian Kurz seinen Kurswechsel in Sachen Sprachförderung mit. Einen Artikel über das inklusive Modell der Abraham-Moss-Gesamtschule in Manchester kommentiert er zustimmend: „Ein Erfahrungsbericht über Sprachklassen, die auch für neuzugewanderte Kinder in Österreich eine große Chance wären.“

In dieser Gesamtschule (!) nehmen Kinder, die kein Wort Englisch können, zur Hälfte am Normalunterricht teil und verbringen die restliche Zeit in Sprachförderklassen . Bei jedem festgestellten Fortschritt erhöht sich der Anteil des Normalunterrichts entsprechend. Auf diese Weise wird die Einbindung der Kinder in die Klassengemeinschaft Schritt für Schritt gestärkt.

Dieses inklusive Spracherwerbsmodell britischer Gesamtschulen gleicht dem, was wir wollen. Kurz hingegen hatte noch im April in der Zeitschrift „Die ganze Woche“ in einem Streitgespräch mit mir („Soll die Vorschule abgeschafft werden?“) gefordert, „dass Schulkinder, bevor sie ihre reguläre Schullaufbahn beginnen, ausreichend Deutsch können müssen“: „Sechsjährige, die nicht Deutsch können, sollen deshalb in einer Vorschulklasse die Landessprache erlernen.“

Nun hat der Minister auf die massive Kritik reagiert, die von Lehrkräften sowie Expertinnen und Experten über ihn hereingebrochen ist, und macht einen Wende um 180 Grad. Er hat offensichtlich erkannt, dass die Vorschule Kinder aussondert und sie der Möglichkeit beraubt, mit und von Gleichaltrigen zu lernen.

Die flexible Schuleingangsphase benötigt zur individuellen Förderung der Kinder auch zusätzliche Ressourcen. Je nach Stärken und Schwächen sind die Kinder kürzer oder länger in dieser Mehrstufenklasse. Zwei Jahre sind für mich ein Richtwert: Das eine Kind braucht dann vielleicht drei Jahre, ein anderes wiederum schafft diese Eingangsphase unter Umständen schon in einem Jahr. Hier müssen wir flexibler sein und Kindern jene Zeit geben, die sie brauchen. Mehr Infos über unser Modell gibt es hier (< file name="Flexible-Schuleingangsphase" >.

Ich hoffe, dass nun den Worten auch Taten folgen und wir Vorschulkindern und Kindern der ersten und zweiten Klasse in einer „flexiblen Schuleingangsphase“ gemeinsam unterrichten und individuell fördern. Das gäbe ihnen die Möglichkeit, sich ohne großen Stress langsam an die Schule zu gewöhnen, langsamere Kinder würden nicht beschämt, indem sie ausgesondert werden.

Für die „Grüne Schule“ gilt: „Kein Kind zurücklassen!“

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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