Nachwehen der Wahl – können Verfassungsrichter irren?

2016-07-03T12:08:36+02:0003.07.16, 13:32 |Kategorien: Nationalrat, Wahlkampf|Tags: , |

BPW_ErgebnisJetzt haben wir den Salat! Ursache ist die schludrige Durchführung der Bundespräsidentenwahl. War das notwendig?

„Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist selbstverständlich zu respektieren und in Zukunft ohne Wenn und Aber zu beachten.“ Das schreibt Anwalt Georg Bürstmayr zu Beginn seiner sachlichen Einschätzungen des VfGH-Spruchs („Anmerkungen zur Wahlanfechtungs-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes“).

Er weist auf die sehr unterschiedliche Einschätzung der Sachlage durch die Verfassungsexperten Heinz Mayer, Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk hin: „Drei Spitzenjuristen, und sie hatten, wie in dem ur-alten Juristenwitz, tatsächlich: vier verschiedene Meinungen.“

Da darf auch ich als einfacher Staatsbürger meine Zweifel an der Entscheidung haben. Denn eines ist klar: Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass das hier abgedruckte Ergebnis nicht richtig ist.

Im „Standard“ gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid ist sich in ihrem Kommentar „Die schlampige Republik“ sicher: „Die Aufhebung der Stichwahl war zwingend.“ Sie hat ernstzunehmende Argumente. Mich überzeugt aber ihre Schlussfolgerung nicht.

Einige Fragen und Hinweise seien gestattet: Der VfGH hat Verstöße gegen die Wahlordnung in 14 Bezirken festgestellt, es geht also um 77.926 Stimmen – darunter die wenigen, in denen Hofer vorne lag. Bei 31.000 Stimmen Rückstand ist daher nicht vorstellbar, dass Hofer hier seinen Rückstand hätte aufholen können. Spielt Plausibilität eigentlich gar keine Rolle? Etwa bei der Frage, wer denn die Fälschungen in wessen Auftrag hätte durchführen können? Warum hat der VfGH nicht schlicht eine Neuauszählung oder auch ein Neuaustragung der Wahl in diesen 14 Bezirken angeordnet?

Die klagende Partei FPÖ war an allen (!) inkriminierten Sachverhalten durch Wahlzeugen oder ihr nahestehende Bezirkshauptleute selbst beteiligt. Ist es normal, dass sie durch das von ihr selbst verschuldete Fehlverhalten nun profitiert? Haben die Verfassungsrichter auch daran gedacht, dass sie Hofer und der FPÖ jetzt massive Vorteile sichern? Immerhin erhält die FPÖ im Vergleich zu den Grünen fast die doppelte staatliche Parteienförderung und ist im Genuss von massiven Zuwendungen seitens der Industrie.

Ich halte es daher eher mit Eric Frey, der auf seinem Blog meint: „Kein Applaus für die Verfassungsrichter“. Er spricht von „Rechtsfundamentalismus“ und verweist darauf, dass die Annahmen der Höchstrichter „auf realitätsfremden Fiktionen“ beruhen. Zudem betont Frey etwas sehr Wichtiges: „In der Verfassung selbst steht dezidiert, dass eine Wahl nur dann aufzugeben ist, wenn eine Verletzung auf das Ergebnis „von Einfluss war“ – nicht „von Einfluss hätte sein können“.“

Und belieben die Mitglieder des VfGH zu scherzen, wenn sie als zweiten Grund für die Aufhebung die Tatsache nennen, dass das Innenministerium Ergebnisse schon vor Wahlschluss mit einer Sperrfrist (!) an Medien und Institutionen weitergeben hat? Wie bei allen früheren Wahlen üblich. Wie bei allen früheren Wahlen wurde die Sperrfrist tadellos eingehalten. Wer soll dadurch beeinflusst werden? Die Journalisten?

Herbert Lackner („Ein wenig weltfremd“): „Die Verfassungsrichter haben eine drastische Entscheidung getroffen – wirklich nachvollziehbar ist sie nicht.“

Und ich füge hinzu: Wenn Verfassungsrichter in anderen Ländern gleiche Maßstäbe anlegen würden, wäre etwa in den USA wohl noch keine einzige Präsidentenkür durchgegangen. Daher ist für mich klar, dass die Verfassungsrichter mitverantwortlich dafür sind, dass sich Österreich international der Lächerlichkeit preisgegeben hat.