Der 22. Juni 1941 und NATO-Manöver heute

2016-06-20T11:08:59+02:0020.06.16, 10:55 |Kategorien: Geschichte und Rechtsextremismus|Tags: , |

Brandt_Kniefall_SpiegelDie NATO hat in Polen bis Ende letzter Woche das Großmanöver „Anakonda 2016“ mit dem Ziel abgehalten, Russland gegenüber Stärke zu zeigen. Auch die deutsche Bundeswehr stationert Truppen im Osten. 75 Jahre nach dem Beginn von Hitlers verbrecherischem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion erscheint das offensichtlich nur wenigen als heikel.

Zur Erinnerung: Vom 22. Juni 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verloren 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben, darunter 3,3 Millionen Kriegsgefangene, die systematisch ermordet wurden. Generäle wie Erich von Manstein befahlen den eigenen Soldaten, das „jüdisch-bolschewistische System ein für allemal auszurotten“, forderten von den Soldaten Verständnis für die „Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum, dem geistigen Träger des bolschewistischen Terrors“ und somit am Massenmord schon zu Beginn des „Unternehmens Barbarossa“. Die „Süddeutsche Zeitung“ widmet dem Thema einen lesenswerten Schwerpunk („Wehe den Besiegten“).

In Russland ist das alles nicht vergessen worden, und die europäische Politik sollte das im Kopf haben, wenn sie militärische Drohszenarien entwickelt. Glaubt im Ernst ein westlicher Politiker oder eine Politikerin, dass das heutige Russland einen NATO-Staat angreifen und damit unmittelbar vor der eigenen Haustür die Gegenreaktion des stärksten Militärbündnisses der Welt erzwingen würde?

Russland wird derzeit systematisch isoliert und gleichzeitig provoziert. Natürlich erfolgte die Annexion der Krim zwar mit dem Willen eines Großteils der Bevölkerung, sie war aber klar völkerrechtswidrig. Natürlich sind die Einschränkung demokratischer Rechte und die Ignorierung menschenrechtlicher Prinzipien in Russland nicht akzeptierbar. Aber warum gelten nicht die gleichen Maßstäbe für Verbündete wie Saudi Arabien oder das wirtschaftlich erstarkende China?

Die jetzige Sanktionspolitik bewirkt in Russland das, was die „EU-Sanktionen“ gegen die blau-schwarze Regierung im Jahr 2000 in Österreich bewirkten: einen „nationalen Schulterschluss“ und somit das Gegenteil von dem, was man vorgeblich erreichen möchte.

Und noch eines gilt es zu bedenken: In den Diskussionen um die Wiedervereinigung Deutschlands nach dem Fall der Berliner Mauer versicherten Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und US-Außenminister James Baker dem damaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow, dass „die Nato nicht beabsichtige, ihr Territorium nach Osten auszudehnen“. Die Russen wurden in der Folge ausgetrickst, inzwischen sind die Staaten Osteuropas bis zur russischen Grenze NATO-Mitglieder.

Das sollte man genauso wie die Geschichte des „Unternehmens Barbarossa“ kennen, wenn man NATO-Truppen an der russischen Grenze stationiert und dort ein Großmanöver veranstaltet. Immerhin einigen westlichen Politikern scheint bewusst zu sein, dass „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ dort nicht angebracht sind („Steinmeier kritisiert Nato-Militärübung“).

Eher angebracht wären Gesten wie der legendäre Kniefall Willy Brandts in Warschau. Und an den „Spiegel“: Ja er durfte!