Alle Statistiken belegen es: Seit Jahren werden bei uns die Armen ärmer und die Reichen reicher. Starke Impulse und vor allem Initiativen hin zu einer solidarischen Gesellschaft fehlen derzeit aber weitgehend. Da sind Politik und Zivilgesellschaft gleichermaßen gefordert. Unter dem Titel „Arm und Reich“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:
Vor über 150 Jahren hat Franz Michael Felder das Buch „Arm und Reich“ geschrieben. Der Roman hat damals vielen insbesondere im Bregenzerwald Mut gemacht: Die Welt kann gerechter gemacht werden, wenn Menschen zusammenhalten und solidarisch handeln. Die Gesetze des Kapitalismus sind nicht in Stein gemeißelt und können neu geschrieben werden.
Der Roman ist aktueller, als man vermuten könnte. Wie damals öffnet sich auch heute die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker. Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Und wo sind die Impulse für eine solidarische Gesellschaft?
„Von Angst durchfressen“
Derzeit greift Angst um sich. Angst vor den Auswirkungen des massiven Klimawandels, Angst vor der Ausweitung des Angriffskrieges in der Ukraine und der Drohung mit der Atomwaffe, Angst vor einem „kalten Winter“ und angesichts der vielen Unsicherheiten die Angst vor Armut. Die Inflation hat Ausmaße erreicht, die in den letzten Jahrzehnten nicht mehr vorstellbar waren.
Die Wahlen zuletzt in Schweden und Italien haben gezeigt, wie vor allem extrem rechte Parteien in so einer Situation Erfolg haben können. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die folgenden politischen Verwerfungen in Deutschland und vielen anderen Ländern lassen grüßen. In einem soeben erschienenen bemerkenswerten Buch erklären die Ökonomen Markus Marterbauer und Martin Schürz, wie derzeit mit dieser von Neoliberalen und Populisten geschürten Angst Politik gemacht wird.
Lösung in Sicht?
Die beiden Ökonomen plädieren für den Aus- statt Abbau des Sozialstaats. Ist das finanzierbar? Ja, sagen sie: Wenn der Staat Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Sozialhilfe so erhöhen würde, dass die betroffenen Menschen nicht mehr armutsgefährdet sind, kostet das gerade einmal zusätzliche zwei Prozentpunkte der jetzigen (!) Sozialausgaben.
Und wer soll das bezahlen? Laut Marterbauer gibt es in Österreich 49 Milliardärsfamilien mit einem Vermögen von insgesamt 170 Milliarden. Davon geht prozentuell im Vergleich zur Steuerleistung einer durchschnittlich verdienenden Arbeitskraft kaum etwas an den Staat. Wenn man aber allein das Vermögen der Milliardäre mit einem einzigen Prozentpunkt besteuern würde, könnten beispielsweise die Mittel für die Sozialhilfe verdoppelt werden. Keine Angst mehr vor materieller Not, Demütigung und Abwertung für etwa 200.000 Menschen!
Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse der letzten Jahre haben allesamt gezeigt, wie die Superreichen in Österreich mit ihren Parteispenden für eine ihnen gemäße Wirtschafts- und Steuerpolitik gesorgt haben. Es ist Zeit für die Solidarisierung der großen Mehrheit, damit der demokratiegefährdende Einfluss der Superreichen beschränkt wird und für diese Gruppe endlich Vermögens- und Erbschaftssteuern eingeführt werden. Ein neuer Franz Michael Felder wäre dabei hilfreich.