Lassen wir mal alle wissenschaftliche Forschung beiseite. Hier der Bericht eines Großvaters. Walter Fink – pensionierter Kulturchef des ORF – in den „Vorarlberger Nachrichten“:

„Mitten im Streit um die Ziffernnoten an Volksschulen hatte ich ein wunderbares Erlebnis. Meine Enkeltochter, Schülerin in der vierten Montessori-Klasse in der Volksschule Augasse, lud mich ein, an ihrem „Schatzkistentag“ dabei zu sein. Unter diesem Begriff versteht man, dass die Schüler all das, was sie im vergangenen Semester gelernt und geleistet haben, einem von ihnen ausgewählten Kreis präsentieren. Das Ergebnis ist ganz außerordentlich. Da steht ein zehnjähriges Mädchen und redet fast zwei Stunden über ihre Arbeit, erzählt, wie sie was gemacht und wie ihr das auch Freude gemacht hat. So kann man natürlich auch lernen, denke ich mir, ohne Stress und Druck von zu Hause. Denn die Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Stufe sind in einer Klasse zusammengefasst, die Jüngeren lernen von den Älteren, die Schwächeren von den Besseren. Sie sind den ganzen Tag in der Schule, um vier am Nachmittag kommen sie heim, niemand muss sich darum kümmern, ob die Hausaufgabe gemacht ist. Das alles wird in der Schule erledigt.

In dieser Schatzkiste lag auch eine verbale Beurteilung meiner Enkeltochter. Einmal abgesehen davon, dass sie das Glück hat, eine gute Schülerin zu sein: Was hier auf einer Seite alles angesprochen wurde ist so gut beobachtet, zeigt die Stärken und Schwächen eines Kindes, redet auch über soziales Verhalten, über Entwicklungsmöglichkeiten in verschiedenen Fächern, in Mathematik, Deutsch, musischen Fächern, sportlichen Leistungen. Was ich sagen will: Diese von der Lehrerin großartig formulierte Seite sagt so viel mehr über meine Enkeltochter aus als das offizielle Zeugnis, das eine Woche später folgte, dass mir die Vorteile einer schriftlichen Beurteilung gegenüber einer Ziffernnote geradezu ins Auge sprang.

Zerstört die gute Arbeit

Durch diese Praxis hat sich mir gezeigt, wie weit unsere Schulpolitik von der schulischen Wahrheit entfernt ist. Denn wenn nun gefordert wird, dass ab der dritten Volksschule Ziffernnoten zu geben sind, dann sehen diese Herren Politiker nicht, was sie zerstören. Und in diesem Fall muss man den Bildungspolitikern der ÖVP die Rute ins Fenster stellen. Was sie hier fordern, zerstört die gute Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Und noch zum Ende: Wenn man sieht, wie viel Druck auf junge Menschen im Halbjahreszeugnis ausgeübt wird, weil davon der Übertritt ins Gymnasium abhängt, dann sieht man die Notwendigkeit einer ganztägigen Schulform bis 14 Jahre. Das würde den Druck von Eltern, Kindern und Lehrern nehmen – und wieder viel Freiraum für Bildung lassen.“