Wegweisende Papstnachfolge
Der Film war schon spannend. Doch die RealitĂ€t der kommenden Papstwahl ist noch spannender, weil sie weitreichende Folgen haben kann. Egal, ob man katholisch ist oder nicht, ja man muss nicht einmal religiös sein: Die Papst-Nachfolge wird uns alle betreffen und kann die gesellschaftliche Entwicklung in die eine oder andere Richtung lenken. Unter dem Titel âWer folgt dem Papst?â habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar geschrieben:
Diese Frage stellen sich nicht nur Katholiken: Wer folgt Papst Franziskus nach? Steht auch der Kirche eine kulturelle Wende wie in den USA bevor? Gar ein âKulturkampfâ? Zu den ideologischen Vorbereitern der Wende in den USA gehört auch ein bei uns kaum bekannter Ăsterreicher. Doch der Reihe nach.
Papst Franziskus hat die Weichen in der Kirche so gestellt, dass die meisten âVatikanologenâ glauben, der sanft eingeleitete Reformkurs sei unumkehrbar.ÂAusgerechnet der zum Katholizismus konvertierte US-VizeprĂ€sident J. D. Vance war der letzte politische Besucher von Franziskus. Er gehört zum Ă€uĂerst rechten FlĂŒgel der US-Kirche und ist stark beeinflusst von Pater Edmund Waldstein aus dem Stift Heiligenkreuz. Die Falter-Journalistin Eva Konzett bezeichnet den Zisterzienser als âStichwortgeber der US-Rechtenâ.
Man nennt diese Gruppe âkatholische Integralistenâ. Sie ist drauf und dran, die USA in Richtung eines autoritĂ€ren Staates zu verĂ€ndern. Gefordert wird dezidiert der FĂŒhrungsanspruch der katholischen Lehre in Staat und Gesellschaft. Dass sechs der neun Richter am Obersten Gerichtshof konservative Katholiken sind, könnte entscheidend sein fĂŒr die kĂŒnftige amerikanische Gesellschaft. Der US-Theologe H. David Bear dazu in der âFurcheâ: âSie beziehen sich offen auf Modelle des Korporatismus und des klerikalen Faschismus, so wie man es in Ăsterreich unter Engelbert DollfuĂ und Kurt Schuschnigg tat.âÂ
WorĂŒber Vance mit dem todkranken Papst bei seiner Audienz zu Ostern gesprochen hat, wissen wir nicht. Was wir aber wissen ist, dass die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Franziskus völlig andere waren. Franziskus stand fĂŒr benachteiligte Menschen ein und hat sich auch in Sachen Migration klar von den âkatholischen Integralistenâ distanziert. Wenige Wochen vor seinem Tod schrieb er einen Brief an die US-Bischöfe, in dem er die Trump-Regierung scharf kritisierte: âEine Politik, die auf Gewalt fuĂt, beginnt böse und wird böse enden.â Das Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland nannte das einen âWeckruf fĂŒr weiĂe US-Katholikenâ.
Vance zitiert gerne den Kirchenheiligen Thomas von Aquin: âDu liebst deine Familie, dann liebst du deinen Nachbarn, dann liebst du deine Gemeinschaft, und dann liebst du deine MitbĂŒrger in deinem eigenen Land.â Doch den kannte Franziskus auch. Im Brandbrief an die US-Bischöfe verwies er mit Bezug auf Thomas von Aquin auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Es gehe um eine Geschwisterlichkeit, âdie allen ohne Ausnahme offen stehtâ.Â
So gespalten wie die amerikanischen Katholiken, so gespalten ist inzwischen die Gesellschaft â auch bei uns. Sogar Nicht-Katholiken hoffen daher bei der Papst-Wahl auf einen âBrĂŒckenbauerâ, der die Kirche mit Herz und im Geist von Franziskus weiterfĂŒhrt.