Radikalisierte Konservative!
Konservative Parteien galten einst als das, was man âstaatstragendâ nennt. Heute driften sie stark nach rechts. Immerhin gibt es erste, allerdings nur ganz schĂŒchterne Anzeichen dafĂŒr, dass sich Widerstand dagegen formiert. Unter dem Titel âRadikalisierte Konservativeâ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar geschrieben:
Die Welt Ă€ndert sich in atemberaubender Geschwindigkeit. In LĂ€ndern wie den USA, Ungarn und vielen anderen ist eine radikale gesellschaftliche und politische Wende im Gang â weg von einer offenen demokratischen Gesellschaft hin zu einem autoritĂ€ren Untertanenstaat. Auch bei uns ist der der Wunsch nach einem heilbringenden âFĂŒhrerâ zunehmend spĂŒrbar. Hat unsere Gesellschaft nichts gelernt aus den Katastrophen im vorigen Jahrhundert? Dem Holocaust? Den Kriegen?
Viktor OrbĂĄn und Donald Trump zeigen exemplarisch vor, wie âneue FĂŒhrerâ recht erfolgreich ihre Allmachtsphantasien umsetzen. Zuerst kapert man die eigene Partei und unterwirft sie, organisiert eine fast schon religiöse Verehrung der eigenen Person, erzeugt Feindbilder, missachtet unabhĂ€ngige Gerichte und die Verfassung. Bestehende demokratische Strukturen werden ĂŒbergangen, eine willige Komplizenschaft mit nicht legitimierter Macht ausgestattet. Man denke an die Clique von MilliardĂ€ren, die Trump um sich gesammelt hat.
Wissenschaftsfeindlichkeit (âDie Professoren sind der Feindâ) fĂŒhrt zur Streichung von Fördermitteln, Arbeitsverboten und bislang zumindest zur Androhung von Uni-Abweisungen fĂŒr auslĂ€ndische Studierende. Der Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft rĂŒttelt massiv an den Grundfesten der US-Demokratie und richtet nachhaltigen Schaden an.
In Ungarn passiert Ăhnliches. Viktor OrbĂĄn Ă€rgert sich zunehmend darĂŒber, dass die sĂŒndteuren Yachten und Privatjets seiner Gefolgsleute medial thematisiert werden. Oder darĂŒber, wie EU-Gelder im korrupten Dickicht seines Netzwerkes versickern. Deshalb plant er ein Gesetz, das kritische Medien und Organisationen in den Ruin treiben wĂŒrde. Diese sollen kĂŒnftig allein schon dann ausgeschaltet werden können, wenn sie beispielsweise finanzielle UnterstĂŒtzung durch Spenden, Crowdfunding oder aus dem Ausland â etwa von der EU (!) â beziehen.Nicht wenige begrĂŒĂen diese Entwicklung â auch bei uns und in anderen Staaten der westlichen Welt. Die Akzeptanz fĂŒr das etablierte politische System schwindet. Schuld daran sind viele Krisen, etwa die teils herbeifantasierte, teils wirkliche Krise des Sozialstaats: Das seit dem Zweiten Weltkrieg von Generation zu Generation weitergegebene GefĂŒhl, es gebe mehr Wohlstand fĂŒr alle, ist nĂ€mlich so nicht mehr einlösbar.
Immerhin: Dank der EU werden Entwicklungen wie in Ungarn, der Slowakei oder zeitweise auch in Polen zumindest behindert. In ganz Europa erwachen zudem die Gewerkschaften und leisten im Krieg gegen die Schwachen zunehmend Widerstand, die Kirchen melden sich mahnend zu Wort. Das alles ist ebenso hilfreich wie notwendig. Ohne eine mobilisierte demokratische Ăffentlichkeit wird die Entwicklung aber nicht zu stoppen sein: Und dafĂŒr braucht es uns alle!