Österreich – Land der Titel!

2020-08-24T09:39:57+02:0024.08.20, 9:39 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: |

Unter der Überschrift „Land der Titel“ habe ich in meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ einen Kommentar zu einem typisch österreichischen PhĂ€nomen verfasst: der Titelsucht. Die Karikatur links aus dem Jahr 1904 (entnommen den „Historische Cartoons“ der „Wiener Zeitung“) zeigt, dass das PhĂ€nomen alles andere als neu ist.

Hier der ganze Text zum Nachlesen  (in den „Vorarlberger Nachrichten“ ist durch ein Versehen leider der letzte Absatz gestrichen worden):

Österreich ist Weltmeister! Zumindest in der Vergabe von Ehrenbezeichnungen aller Art. Seit Freitag kann man in den Reisepass auch den Titel „Meister“ und „Meisterin“ eintragen lassen.

Der Anlass dafĂŒr ist ehrenwert: Um qualitativ hochwertige nicht-akademische Ausbildungen aufzuwerten, sind kĂŒnftig „Mst.“ und „Mst.in“ – so die offiziellen AbkĂŒrzungen – formal auf einer Stufe mit einem Bachelor-Abschluss. Indirekt sollen somit auch Lehrabschluss und GesellenprĂŒfung aufgewertet beziehungsweise die Motivation zur Ablegung der MeisterprĂŒfung erhöht werden.

Titelflut

Rund 1.500 anerkannte Titel soll es in Österreich geben, darunter so kuriose wie „OberbrĂŒckenbaumeister“. Im Ausland wird unsere Titelsucht daher oft belĂ€chelt. Dass hierzulande der Titel „Professor“ nicht nur fĂŒr Lehrende an Hochschulen oder UniversitĂ€ten gilt, sondern auch fĂŒr jene an höheren Schulen, ist wohl einzigartig.

Der Hintergrund: In der Monarchie protestierten die Gymnasiallehrer gegen ihre schlechte Bezahlung. Kaiser Franz Joseph lehnte höhere Löhne ab und verlieh ihnen stattdessen den Titel „Professor“. Er wird inzwischen auch an KĂŒnstler*innen vergeben.

Doch damit nicht genug. LehrkrĂ€ften an höheren Schulen wird bei uns nach mindestens 28 Jahren Gesamtdienstzeit meist der Berufstitel „Oberstudienrat“ verliehen. In Österreich hat sich zwar der Titel „Oberstudienrat“ gehalten, aber kaum jemand kennt einen „Studienrat“ oder eine „StudienrĂ€tin“. Da fragt man sich natĂŒrlich „Ober“ was?

Oder man fragt sich nicht – angesichts vieler weiterer MerkwĂŒrdigkeiten: In der Republik Österreich wurden nach dem Ersten Weltkrieg zwar die Monarchie und alle Adelstitel konsequent abgeschafft, eine gewisse Sehnsucht nach monarchischem Pomp aber hat die vielen Jahrzehnte ĂŒberlebt.

Man könnte allerdings einwenden, dass unser Staat immerhin sparsam ist. WĂ€hrend nĂ€mlich in Deutschland die Ernennung zum „Oberstudienrat“ – dort gibt es StudienrĂ€te zuhauf – auch mit einer finanziellen Besserstellung verbunden ist, bleibt den in Österreich derart Ausgezeichneten eine höhere Bezahlung verwehrt. Franz Joseph lĂ€sst grĂŒĂŸen!

Hofrat ohne Hof

Einen „Hof“ samt Kaiser oder zumindest König findet man auch nach lĂ€ngerer Suche nicht. Trotzdem gibt es nicht wenige „HofrĂ€te“. Wem aber geben sie „Rat“, wenn es gar keinen „Hof“ mehr gibt? Der Titel wurde 1765 unter Maria Theresia eingefĂŒhrt und hat alle StĂŒrme der Zeit ĂŒberlebt. Es verwundert daher nicht, dass wir auch eine „Hofreitschule“ haben.

Vor einem halben Jahrhundert gab es in Österreich dennoch eine kleine Sensation: Man fĂŒhrte eine Amtstitel-Beschneidung durch und strich den „Obermanipulanten“ fĂŒr den Schulwart und hunderte weitere rĂ€tselhafte Berufsbezeichnungen – natĂŒrlich gegen den heftigen Widerstand der Gewerkschaft.

„Deutschland ist ein Titelland“, meinte einst der Philosoph Immanuel Kant. Österreich hat er nicht erwĂ€hnt.