Ăsterreich – Land der Titel!
Unter der Ăberschrift âLand der Titelâ habe ich in meiner Kolumne in den âVorarlberger Nachrichtenâ einen Kommentar zu einem typisch österreichischen PhĂ€nomen verfasst: der Titelsucht. Die Karikatur links aus dem Jahr 1904 (entnommen den âHistorische Cartoonsâ der âWiener Zeitungâ) zeigt, dass das PhĂ€nomen alles andere als neu ist.
Hier der ganze Text zum Nachlesen (in den âVorarlberger Nachrichtenâ ist durch ein Versehen leider der letzte Absatz gestrichen worden):
Ăsterreich ist Weltmeister! Zumindest in der Vergabe von Ehrenbezeichnungen aller Art. Seit Freitag kann man in den Reisepass auch den Titel âMeisterâ und âMeisterinâ eintragen lassen.
Der Anlass dafĂŒr ist ehrenwert: Um qualitativ hochwertige nicht-akademische Ausbildungen aufzuwerten, sind kĂŒnftig âMst.â und âMst.inâ â so die offiziellen AbkĂŒrzungen â formal auf einer Stufe mit einem Bachelor-Abschluss. Indirekt sollen somit auch Lehrabschluss und GesellenprĂŒfung aufgewertet beziehungsweise die Motivation zur Ablegung der MeisterprĂŒfung erhöht werden.
Titelflut
Rund 1.500 anerkannte Titel soll es in Ăsterreich geben, darunter so kuriose wie âOberbrĂŒckenbaumeisterâ. Im Ausland wird unsere Titelsucht daher oft belĂ€chelt. Dass hierzulande der Titel âProfessorâ nicht nur fĂŒr Lehrende an Hochschulen oder UniversitĂ€ten gilt, sondern auch fĂŒr jene an höheren Schulen, ist wohl einzigartig.
Der Hintergrund: In der Monarchie protestierten die Gymnasiallehrer gegen ihre schlechte Bezahlung. Kaiser Franz Joseph lehnte höhere Löhne ab und verlieh ihnen stattdessen den Titel âProfessorâ. Er wird inzwischen auch an KĂŒnstler*innen vergeben.
Doch damit nicht genug. LehrkrĂ€ften an höheren Schulen wird bei uns nach mindestens 28 Jahren Gesamtdienstzeit meist der Berufstitel âOberstudienratâ verliehen. In Ăsterreich hat sich zwar der Titel âOberstudienratâ gehalten, aber kaum jemand kennt einen âStudienratâ oder eine âStudienrĂ€tinâ. Da fragt man sich natĂŒrlich âOberâ was?
Oder man fragt sich nicht â angesichts vieler weiterer MerkwĂŒrdigkeiten: In der Republik Ăsterreich wurden nach dem Ersten Weltkrieg zwar die Monarchie und alle Adelstitel konsequent abgeschafft, eine gewisse Sehnsucht nach monarchischem Pomp aber hat die vielen Jahrzehnte ĂŒberlebt.
Man könnte allerdings einwenden, dass unser Staat immerhin sparsam ist. WĂ€hrend nĂ€mlich in Deutschland die Ernennung zum âOberstudienratâ â dort gibt es StudienrĂ€te zuhauf â auch mit einer finanziellen Besserstellung verbunden ist, bleibt den in Ăsterreich derart Ausgezeichneten eine höhere Bezahlung verwehrt. Franz Joseph lĂ€sst grĂŒĂen!
Hofrat ohne Hof
Einen âHofâ samt Kaiser oder zumindest König findet man auch nach lĂ€ngerer Suche nicht. Trotzdem gibt es nicht wenige âHofrĂ€teâ. Wem aber geben sie âRatâ, wenn es gar keinen âHofâ mehr gibt? Der Titel wurde 1765 unter Maria Theresia eingefĂŒhrt und hat alle StĂŒrme der Zeit ĂŒberlebt. Es verwundert daher nicht, dass wir auch eine âHofreitschuleâ haben.
Vor einem halben Jahrhundert gab es in Ăsterreich dennoch eine kleine Sensation: Man fĂŒhrte eine Amtstitel-Beschneidung durch und strich den âObermanipulantenâ fĂŒr den Schulwart und hunderte weitere rĂ€tselhafte Berufsbezeichnungen â natĂŒrlich gegen den heftigen Widerstand der Gewerkschaft.
âDeutschland ist ein Titellandâ, meinte einst der Philosoph Immanuel Kant. Ăsterreich hat er nicht erwĂ€hnt.