Der Saal auf der Universität Wien war diese Woche voll – man lauschte den Ausführungen von Ulrich Steffens über die jetzt auch auf Deutsch vorliegende Studie von John Hattie („Visible Learning“ oder „Lernen sichtbar machen“). Thema war – um nur ein Detail herauszuheben – die politisch motivierten Fehlinterpretationen der Studie:
1. „In der Schule kommt es auf den Lehrer an und nicht auf das Schulsystem.“
Das hätten die Reformblockierer gerne. Die Realität schaut anders aus. Hattie verwendete für seiner Studie über die Einflussfaktoren für einen guten Unterricht über 50.000 Studien in englischer Sprache. Somit untersuchte er ausschließlich Gesamtschulmodelle. Wenn er für unterrichtsbezogene und nicht strukturelle Reformen eintritt, meint er das genaue Gegenteil dessen, was ihm von konservativer Seite untergejubelt wird: Er will die Beibehaltung des Gesamtschulmodells und keine Veränderung (etwa durch die frühe Trennung der Kinder wie in Österreich oder Deutschland).
2. „Hattie fordert die Wertschätzung des Frontalunterrichts.“
Das ist natürlich Unsinn. Hattie stellt fest: Lernen ist für SchülerInnen und LehrerInnen eine sehr individuelle Reise, es gibt aber natürlich erkennbare wiederkehrende Merkmale. Er plädiert für Lehrpersonen in einer aktiven Rolle als Unterrichtsgestalter („activator“), das ist nicht gleichzusetzen mit dem lehrerzentrierten Frontalunterricht. Im Gegenteil: ausdrücklich gefordert wird die aktive Einbeziehung der SchülerInnen in die Lernprozesse. Offene Lernformen haben zwar nur geringe Auswirkungen auf den Lernerfolg, sie sind aber für andere pädagogische Ziele wie Interessen- und Selbstständigkeitsförderung, Kooperation und soziales Lernen sowie Verantwortungsübernahme usw. wichtig.
Hier eine knappe Kurzfassung der Studie als Download.
Übrigens zwei – zumindest für mich – erstaunliche Details am Rande:
• Was auffällt, ist der geringe Effekt von Hausaufgaben, er liegt deutlich unter dem Schwellenwert für sinnvolle Maßnahmen.
• Und die ideale Schulgröße für Lernleistungen ist laut Hattie im „mittleren Bereich“: 600 bis 900 SchülerInnen. Laut Steffens bedarf das aber weiterer Forschungen.
• Als schädliche Faktoren für den Lernerfolg gelten – an erster Stelle – der Wohnortwechsel, aber auch (natürlich wenig überraschend) Krankheit, dann „Zu viel Fernsehen“, alleinerziehende Eltern und das Sitzenbleiben.
Wie liegen jedenfalls richtig mit unserem Konzept der „Grünen Schule“ und meinem Motto: „Kein Kind zurücklassen!“
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