22. August 2025

Verantwortung wahrnehmen!

2025-08-22T09:01:58+02:0022.08.25, 8:50 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , |

Die Verteufelung von Kompromissen hindert Politik und Gesellschaft daran, zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Philosophen und Soziologen wie Max Weber haben das oft bemängelt. Der Ukraine-Krieg ist ein Beispiel dafür: Justament-Standpunkte bringen uns nicht weiter. Verantwortung wahrnehmen heißt auch, nach Kompromissen zu suchen. Unter dem Titel „Ein Hoch dem Kompromiss!“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar geschrieben.

In den letzten zwei Wochen hat die Hoffnung auf ein Ende des Tötens in der Ukraine Nahrung erhalten. Nicht wenige aber sehen Verhandlungen mit Putin kritisch: Darf man mit einem Kriegsverbrecher überhaupt verhandeln?

Der deutsche Soziologe Max Weber hat als politische Handlungsmaxime vor über hundert Jahren den Begriff der „Verantwortungsethik“ geprägt und diesem den Begriff „Gesinnungsethik“ gegenübergestellt. Letzteres ist eine Haltung, die sich an ethischen Werten nicht nur orientiert, sondern sie als Maxime immer und überall durchzuhalten versucht.

Zurecht hat Weber darauf hingewiesen, dass jemand, der stur an seinen reinen Prinzipien festhält, in der politischen Praxis großen Schaden anrichten kann. Es gibt daher auch mit den Taliban in Afghanistan diplomatische Kontakte, Israel verhandelt mit den Terroristen der Hamas usw.

Unabhängig davon, dass das „Böse“ nicht selten nicht so eindeutig nur auf einer Seite zu finden ist: Es ist absurd, wenn heute mit platten Begründungen („Putin ist nicht paktfähig“) gegen Verhandlungen mit Russland argumentiert wird: Ist zehntausendfaches Sterben in der Ukraine gerechtfertigt, nur weil man mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Untaten des Verhandlungspartners zeigen kann?

Besonnene Politiker wie der frühere deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wurden wegen ihrer zögerlichen Haltung im Ukraine-Konflikt häufig zu Unrecht kritisiert. Andere pochten auf bedingungslose Härte gegenüber der Atommacht Russland. Das Ergebnis: Die russischen Truppen sind weiter vorgerückt und es gab zehntausende Tote. Hätten Waffenstillstandsverhandlungen wie jene im Jahr 2023 zu Beginn des Krieges in Istanbul dem überfallenen Land nicht viel Leid erspart? Die Frage ist wohl nicht eindeutig zu beantworten.

Tatsache aber ist, dass die jetzt angedachten „Lösungen“ für die ukrainische Seite weitaus schmerzhafter sind als jene, die damals zur Diskussion standen. Nicht wenige fragen sich daher, ob die gesinnungsethische Haltung von damals richtig war. Haben jene recht (behalten), die für eine harte Linie gegenüber Russland eingetreten sind oder noch immer eintreten? Oder jene, die gemeint haben: Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen, Russland darf ihn nicht gewinnen, also suchen wir einen Kompromiss.

Natürlich muss ein Waffenstillstand Sicherheitsgarantien des Westens für die Ukraine und das Einfrieren einer Frontlinie garantieren. Es muss auch gewährleistet sein, dass sich das überfallene Land wirtschaftlich wieder erholen kann. Es braucht eine nüchterne Abwägung von Vor- und Nachteilen einer Vertragslösung: Wer sichert die Grenzen? Wer zahlt für den Wiederaufbau? Ein wirklicher Frieden ist das dann natürlich noch immer nicht, aber ein wichtiger Schritt dazu.

Gesinnungsethik oder doch Verantwortungsethik? Die Antwort liegt wohl auf der Hand!

25. Juli 2025

Die Gefahr ist die Mitte

2025-07-25T16:17:04+02:0025.07.25, 16:17 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , |

Die Gefahr für unsere Gesellschaft, für unser politisches System kommt nicht von den politischen Rändern, sie kommt aus der politisch und gesellschaftlich radikalisierten Mitte. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Das Problem ist die Mitte“:

Mehr politische Mitte als in den USA gibt es nicht – hat man lange geglaubt. Inzwischen hat Donald Trump die Republikaner mit Hilfe seiner in sozialen Medien verbreiteten Hetze und glatten Lügen gekapert und aus ihr eine unterwürfige Führerpartei mit neoliberalen und rechtsextremen Positionen gemacht. Seither erlebt das Land eine Polarisierung, wie sie zuvor undenkbar schien.

Ähnliche Phänomene gibt es auch in Europa. In Italien stellt die Nachfolgepartei von Benito Mussolinis Faschisten die Ministerpräsidentin, in Ungarn hat eine ehemals bürgerlich liberale Partei den Staat im autoritären Sinn umgebaut. In Polen und anderen Ländern schaut es nicht viel besser aus.

Die von den Rechtsparteien angebotene und von einigen konservativen Parteien teilweise übernommene ideologische Mixtur mit Elementen von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Antifeminismus erinnert an die Dreißigerjahre. Wohin das geführt hat, wissen wir.

Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer spricht schon lange von einem „entsicherten Bürgertum“ und einer „rohen Bürgerlichkeit“. Das Problem sind demnach nicht die gesellschaftlichen und politischen Ränder, sondern die Mitte, die in einer unsicher gewordenen Welt Halt sucht. Dort gibt es eine Verklärung der Vergangenheit und eine Sehnsucht nach Sicherheit – fernab von Wirtschaftskrisen, Pandemien, einem Krieg vor der Haustür, der immer deutlicher spürbaren Klimakrise usw.

Liberale, Linke und gemäßigte Konservative stehen vor diesem Phänomen wie das Kaninchen vor der Schlange. In Deutschland und Österreich versuchen die konservativen Parteien, den Aufstieg der extremen Rechten durch die Adaptierung ihrer Parolen zu stoppen. Doch die Übernahme rechter Rhetorik wirkt eher als Brandbeschleuniger denn als Feuerlöscher.

Dass die ÖVP die in Teilen rechtsextreme FPÖ zur Kanzlerpartei machen wollte und das an Kickl und nicht an einem Aufschrei in der ÖVP scheiterte, sei hier nur am Rande erwähnt. Die FPÖ regiert inzwischen in fünf Landesregierungen mit der ÖVP und stellt in der Steiermark sogar den Landeshauptmann. In Deutschland nähert sich die CDU/CSU inhaltlich immer mehr der AfD und lehnte zuletzt eine Verfassungsrichterin ab, weil diese für ein liberales Abtreibungsgesetz eintritt.

Staaten sind immer dann stabil, wenn sie Sicherheit, Bildungsgerechtigkeit und soziale Integration anstreben. Wenn auch bei schwierigen Themen wie Zuwanderung, dem Kampf gegen die Klimakrise oder für soziale Gerechtigkeit ein offener Dialog geführt wird. Dieser Dialog ist aber nur dann möglich, wenn es Regulierungsmaßnahmen für jene „asozialen Medien“ gibt, die unsere Gesellschaft mit Falschmeldungen und Hetze vergiften. Die sich selbst in der „Mitte“ verortenden Parteien sind diesbezüglich in der Pflicht!

27. Juni 2025

Was macht der Terror mit der Gesellschaft?

2025-06-26T15:07:06+02:0027.06.25, 8:05 |Kategorien: Gesellschaft|Tags: , , |

Der Horror an der Grazer Schule in der Dreischützengasse hat durchaus zu sehr besonnenen und Mut machenden Reaktionen geführt, aber wenig überraschend auch die Hetzer von Rechtsaußen auf den Plan gerufen. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel „Umgang mit dem Terror“ hier zum Nachlesen:

„In unserem Staat funktioniert nichts mehr, alles geht den Bach runter“ – dieser Aussage habe ich in einer sehr „angeregten“ Diskussion letzte Woche vehement widersprochen. Was funktioniert nicht? Die Bahn? Die Justiz? Gibt es Schlaglöcher auf den Autobahnen? Bei allem Reformbedarf: Fast überall auf der Welt wären die Menschen froh, in einem Staat wie dem unseren zu leben.

Zudem hat der gesellschaftliche und auch der politische Umgang mit dem furchtbaren Verbrechen in Graz auch Mut gemacht. Nach sechs Minuten waren erste Einsatzkräfte da, eine Minute später die Spezialeinheit Cobra. Die Polizei hat ebenso hervorragende Arbeit geleistet wie die Rettungskräfte und die Aufteilung der Verletzten auf einzelne Krankenhäuser. Die rasche psychologische Betreuung der Überlebenden hätte kaum besser sein können. Das Verhalten von Lehrkräften, Schulleitung und Eltern war vorbildlich. Bei uns soll nichts funktionieren?

„Funktioniert“ haben auch große Teile der Politik. Die kommunistische Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr hat keine simple Betroffenheitsrhetorik oder gestelzten Sätzen von sich gegeben, sondern unserer Sprachlosigkeit eine Sprache gegeben. Ihre Erschütterung war spürbar und gleichzeitig hat sie ihre Funktion beim Einsatz beispielhaft wahrgenommen.

Zum Vergleich: In den USA gab es allein im letzten Jahr über 300 Angriffe mit Schusswaffen an Schulen. Dort gibt es immer wieder Diskussionen, weil es bis zum Einsatz der Exekutive oft zu lange dauert. In Texas beispielsweise gab es 21 Tote, weil die Polizei sich erst nach 75 Minuten zum Eingreifen entschlossen hatte.
Da hat Graz deutlich besser abgeschnitten – übrigens auch beim Umgang mit dem Terror: Bei der Trauerfeier haben zwei Jugendliche mit migrantischem Hintergrund bemerkenswerte Reden gehalten: „Hass hat hier keinen Platz, nicht an dieser Schule, nicht in Österreich, nicht in dieser Welt!“

Zur Wahrheit zählt allerdings auch, dass die Horror-Tat für Hetze benutzt worden ist. Der FPÖ-Klubobmann im oberösterreichischen Landtag hat auf Facebook gleich auf das „Ausländerproblem“ verwiesen: „Ein Land ohne Abschiebungen ist ein Land ohne Schutz.“ Als bekannt wurde, dass es sich beim Täter um einen Österreicher handelt, hat er das Posting stillschweigend auf „Furchtbar“ geändert, die Flut an hetzerischen Antworten auf seine ursprüngliche Interpretation aber stehen lassen.
Zudem hat er behauptet, die Plattform „Stoppt die Rechten“ habe sein Posting manipuliert. Als man ihm nachwies, dass das eine Lüge ist, hat er die Schuld auf einen Mitarbeiter geschoben, dessen Fehler er nicht mehr „rückgängig machen“ könne. Ähnlich agierten andere FPÖler und Rechtsextreme. Haben wir mit diesen Herrschaften vielleicht ein „Inländerproblem“?

Der Umgang mit dem Verbrechen in Graz hat in Gesellschaft und Politik größtenteils das Positive zum Vorschein gebracht. Das Negative blieb in der Minderheit.

Wofür ich stehe?

Ich stehe für soziale Gerechtigkeit, bessere Schulen, Klimaschutz, Antirassismus, Integration, Grundrechte und Tierschutz.

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Meine Arbeit

Hier veröffentliche politische Kommentare. Sie erfahren auch alles über meine Arbeit aus meiner Zeit im Nationalrat (2008-2017): Reden, Anträge und Ausschussarbeit.


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