Verkehrspolitischer Albtraum
Verkehrspolitik ist angewandte Klimapolitik. Das ist leider nicht allen Verantwortlichen in Ăsterreich bewusst – oder es ist ihnen egal. Das gilt auch fĂŒr die BundeslĂ€nder, wie das Beispiel der âTunnelspinneâ in Feldkirch zeigt. Unter dem Titel âTunnel-Albtraumâ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar verfasst. Hier zum Nachlesen:
Ein Sprichwort sagt, dass man durch Erfahrung klug werde. Das mag im einen oder anderen Fall stimmen. FĂŒr die Verkehrspolitik hierzulande gilt es nicht. Bestes Beispiel dafĂŒr ist die Tunnelspinne in Feldkirch. Sie ist nicht nur ein Baukostenmonster, sondern auch eine verkehrspolitische Fehlentscheidung.
Ein Blick nach Zell am See wĂ€re fĂŒr die BefĂŒrworter hilfreich gewesen. Dort gab es angesichts der Verkehrsbelastung von tĂ€glich 16.000 Autos vor der Jahrtausendwende eine Ă€hnliche Situation wie in Feldkirch. Zur Entlastung baute man einen Tunnel. Heute klagt der ĂVP-BĂŒrgermeister in der Wiener Zeitung: âJetzt sind es tĂ€glich 16.000 im Tunnel und 16.000 auf der StraĂe.â
Wer mehr StraĂen baut, erntet mehr Autoverkehr. Wer den öffentlichen Verkehr fördert, erntet mehr öffentlichen Verkehr. Wer mehr Radwege baut … Oder, um es mit UniversitĂ€tsprofessor Markus Mailer aus Innsbruck wissenschaftlich auszudrĂŒcken: âInfrastrukturprojekte steigern die Nachfrage.â Mailer leitet den Bereich âIntelligente Verkehrssystemeâ. Vielleicht sollten ihm Wallner und Bitsche einen Besuch abstatten. Oder nach Zell am See fahren.
Politisch Verantwortliche denken leider meist nur in Wahlperioden und blenden Langzeitwirkungen ihrer Entscheidungen gerne aus, denn mit denen haben ja nachfolgende Generationen zu kĂ€mpfen. Die Bevölkerung hat oft mehr Verantwortungsbewusstsein. Etwa in der Schweizer Gemeinde Zug, wo zwar die Verantwortlichen auf Verkehrsprobleme Ă€hnlich reagieren wie hierzulande, die Bevölkerung ein Tunnelprojekt in den letzten zehn Jahren aber gleich viermal abgelehnt hat.Â
Das Projekt in Zug hat wie ein weiteres in Rapperswil-Jona Ă€hnliche Dimensionen wie die Tunnelspinne. Dort kalkuliert man mit rund einer Milliarde an Baukosten. In Feldkirch waren es beim Letzetunnel ursprĂŒnglich nur knapp 60 Millionen, heute reden die Verantwortlichen von 385 Millionen Euro. Nicht nur wegen der Vergleichbarkeit mit den Projekte in der Schweiz glaubt diese Summe kaum jemand.Â
Zudem muss die Landesregierung schon jetzt mit einem Sparpaket â etwa im Sozialbereich â auf die Budgetmisere reagieren: Weniger Angebote fĂŒr Menschen mit BeeintrĂ€chtigung, reduzierte Therapieangebote fĂŒr Kinder, weitere Selbstbehalte und lĂ€ngere Wartelisten sind die Folge. Allein bei Kinderdiensten, Sozialpsychiatrischen Diensten und Neuro-Rehabilitation sollen etwa 10.000 Therapiestunden gestrichen werden.Â
Ein GroĂprojekt wie die Tunnelspinne ist daher nicht nur verkehrspolitisch falsch, sondern auch budgetĂ€r unverantwortlich. Die Einsparungen im Sozialbereich werden uns langfristig auf den Kopf fallen, denn sie werden vorhandene Probleme vergröĂern. Daher ein Vorschlag zur GĂŒte: ehrliche Informationen ĂŒber die Tunnelspinne und anschlieĂend eine Volksabstimmung. Lustenau hat bei der S18 unter einem ĂVP-BĂŒrgermeister vorgemacht, wie es geht.