„Glücksfall EU!“
Was wäre, wenn wir die vielgescholtene EU nicht hätten? Europa wäre nicht nur (wie schon jetzt) ein politischer Zwerg, sondern zusätzlich auch noch ein wirtschaftlicher. In diesem Bereich aber zeigt die Kommission – unterstützt von der unabhängigen Justiz im EuGH – zunehmend Zähne und weist auch scheinbar allmächtige Großkonzerne in die Schranken. Und zwar mit Erfolg. Neben anderen Vorteilen ist auch dasein wichtiger Pluspunkt, den unser Land ohne die EU nicht für sich verbuchen könnte.
Unter dem Titel „Glücksfall EU!“ habe ich dazu in den Vorarlberger Nachrichten einen Kommentar geschrieben. Hier zum Nachlesen:
Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof eine von der EU-Kommission verhängte Geldstrafe in Höhe von 2,4 Milliarden Euro gegen den amerikanischen Google-Konzern bestätigt. Damit nicht genug: Auch der Apple-Konzern verlor seinen Kampf um Steuernachlässe in Irland und muss insgesamt 13 Milliarden nachzahlen.
Das sind keine Einzelfälle. Allein wegen Wettbewerbsverstößen hat die EU in den letzten Jahren eine ganze Reihe an Milliardenstrafen gegen Banken, Auto- und Chemiekonzerne etc. ausgesprochen. Die Einzelstaaten der EU hätten dazu wohl kaum genügend Kraft. Das sollte all jenen zu denken geben, die „Brüssel“ stets für alle möglichen Missstände verantwortlich machen.Der Richterspruch in Luxemburg ist auch eine schallende Ohrfeige für das EU-Mitglied Irland. Das Steuerparadies hatte Apple eine Steuerquote von 0,005 Prozent (!) eingeräumt und dadurch die EU-Beihilferichtlinien verletzt. Damit ist es vorbei. Der iPhone-Hersteller muss die saftige Steuernachzahlung leisten.
Wo wäre Österreich ohne die EU? Ein kleines Land inmitten des weltweit aggressiver werdenden Raubtierkapitalismus? Ein Land wie die reiche Schweiz, die sich in zunehmend komplizierterer Abhängigkeit von der EU befindet, unzählige Abkommen schließen muss, um am Binnenmarkt teilnehmen zu können, aber nicht mitbestimmen darf und dennoch mitzahlen muss? Kleine Länder können von global agierenden Konzernen leicht gegeneinander ausgespielt werden – zumal wenn deren BIP deutlich niedriger ist als der Jahresumsatz der Unternehmen.
Freilich ist es für hiesige Politiker einfach, die Verantwortung für unliebsame Entscheidungen oder gar eigenes Versagen nach Europa abzuschieben. Dass diese populistischen Angriffe auf „Brüssel“ bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden fallen liegt auch in der Verantwortung der Medien. Sie greifen allzu oft europapolitische Debatten mit der „wir gegen die“-Mentalität auf. Die zur Zeit stattfindende Diskussion um die Schließung nationalstaatlicher Grenzen ist ein gutes Beispiel dafür.
Dass ein „Öxit“ wie der Brexit ein Spiel mit dem Feuer ist und auch jenen Unternehmen großen Schaden zufügen würde, die populistische Parteien mit ihren Attacken gegen die EU finanziell teilweise kräftig unterstützen, haben die Briten – mit ihrer deutlich größeren Wirtschaftskraft als Österreich – leidvoll erfahren.
Aber zurück zum Optimismus: Der politische Zwerg Europa zeigt zumindest wirtschaftlich Zähne. Unser Kontinent ist diesbezüglich nämlich eine Großmacht und obsiegt gegen scheinbar allmächtige Riesenkonzerne. Die Regeln der EU werden daher weltweit größtenteils umgesetzt. Das sollte Ansporn sein, statt nach weniger nach mehr Europa zu rufen und eine politische Union Wirklichkeit werden zu lassen. Kleinstaaterei ist nicht der Weg aus der, sondern in die Krise. Solidarität dagegen wirkt – auch gegen scheinbar übermächtige Gegner wie Google oder Apple.