Was haben Corona-Diktatur, Orbán und Österreich miteinander zu tun? Leider mehr, als uns lieb sein kann.
In meiner Kolumne in den „Vorarlberger Nachrichten“ habe ich das unter dem Titel „Corona-Diktatur?“ näher ausgeführt.

Gefährliche Zeiten! Die Corona-Pandemie wird abebben, dann können die Menschen wieder aufatmen. Das Virus hat aber nicht nur Menschen infiziert, sondern in vielen Ländern auch die Demokratie.

In Ungarn hat sich das Parlament selbst ausgeschaltet. Bei uns hat der Begriff „Selbstausschaltung“ ein „Gschmäckle“: Er wurde im März 1933 von Engelbert Dollfuß verwendet, als er nach einem Formalfehler der damaligen Parlamentspräsidenten mit Polizeigewalt den Nationalrat dauerhaft aufgelöst hatte. Das war also keine „Selbstausschaltung“, sondern ein Staatsstreich.

Ganz anders letzte Woche in Ungarn. Dort hat Orbáns Fidesz-Partei nach einer Wahlrechtsreform mit 44,5 Prozent der Stimmen eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Und diese Abgeordneten beschlossen mit Berufung auf die Corona-Pandemie aus freien Stücken die zeitlich unbegrenzte eigene Entmachtung. Viktor Orbán ist somit quasi Alleinherrscher.

Vorbild China?

Noch ist in Ungarn die Demokratie nicht vollständig beseitigt.  Ob das Land nach der Pandemie wieder zum Parlamentarismus zurückkehrt, liegt de facto allein in der Hand Orbáns. Seine „Corona-Diktatur“ könnte also Bestand haben – untragbar für einen EU-Staat.

Der ungarische Premier sollte daran erinnert werden, dass er ganz gut von der EU lebt. Ungarn erhält jährlich 5,2 Milliarden – Österreich als Nettozahler steuert 1,3 Milliarden bei. Dennoch wettert Orbán permanent gegen die „Brüsseler Technokraten“, verweigert – etwa in der Flüchtlingsfrage – solidarisches Verhalten und preist autoritäre Vorbilder wie Putin, Erdogan oder das kommunistische China.

Und die EU?

Was macht die EU in dieser kritischen Situation? 16 Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland und Frankreich – haben aus Sorge um die Demokratie in Ungarn in einem Aufruf die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit eingemahnt. Das ist ein richtiges Signal – mehr aber auch nicht.

Die Möglichkeiten der Verantwortlichen in Brüssel sind beschränkt. Schuld daran ist der Egoismus der Mitgliedsstaaten. Es liegt an ihnen, dafür zu sorgen, dass die EU stärker wird und wirksame Instrumente erhält, um Versuche zur Ausschaltung einer unabhängigen Justiz wie in Polen, die Einschränkung der Pressefreiheit oder gar ein zeitlich unbegrenztes Notstandsrecht wie in Ungarn zu verhindern.

Österreich ist gefordert

Die Entwicklung in Ungarn und Polen betrifft auch uns, zumal etwa Nationalratspräsident Sobotka schon durchblicken hat lassen, dass autoritäre Entwicklungen auch bei uns möglich sind. Kanzler Sebastian Kurz verweigerte zudem eine Stellungnahme zu den Vorgängen in Ungarn, er habe leider „keine Zeit“ gehabt, sich damit zu beschäftigen. Irritierend.

Übrigens hat sogar Orbán im Nachhinein den Aufruf unterschrieben und macht sich damit auch noch lustig über die anderen Staaten. Sein Land war zwar gemeint, wurde aber nicht namentlich erwähnt. Gefragt sind daher deutlichere Worte.