„Politische Realsatire“

2021-08-16T11:52:11+02:0016.08.21, 11:48 |Kategorien: Allgemein|Tags: , , , |

Foto: Online-Portal ZackZack

Wie ernst kann man Minister wie Alexander Schallenberg noch nehmen? Der Außenminister hat am Samstag kurz vor der Sturm der Islamisten auf afghanistans Hauptstadt Kabul die Taliban aufgefordert, „an den Verhandlungstisch zurĂŒckzukehren“. Wie steht es um die Satire in der österreichischen Innenpolitik? Dazu habe ich in den „Vorarlberger Nachrichten“ unter dem Titel „Politische Realsatire“ einen Kommentar veröffentlicht.

Hier zum Nachlesen:

WĂ€hrend es in Afghanistan drunter und drĂŒber geht, die Taliban unvorstellbare Grausamkeiten verĂŒben und das Botschaftspersonal aus Kabul flĂŒchtet, wurden die Taliban am Samstag von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg aufgefordert, „an den Verhandlungstisch zurĂŒckzukehren“. Realsatire oder ernst gemeint?

Warum fordert Schallenberg nicht die WaldbrĂ€nde in SĂŒdeuropa auf, in Verhandlungen mit der Feuerwehr einzutreten? Oder verlangt vom Corona-Virus, endlich zu verschwinden? Österreich macht sich lĂ€cherlich. Nur lustig ist es nicht.

Genauso wenig ĂŒbrigens wie die ebenfalls am Samstag bestĂ€tigten PlĂ€ne von Innenminister Karl Nehammer, auch in dieser Situation Abschiebungen nach Afghanistan durchzufĂŒhren. Grausame SkurrilitĂ€t.

Ernstgemeinte Satire

Es gibt aber zum GlĂŒck auch lustige politische SkurrilitĂ€t. In dieser Woche muss der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger, tĂŒrkiser FraktionsfĂŒhrer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, beweisen, dass er Politiker und kein „Satireprojekt“ ist. Der Abgeordnete hatte mit bizarren und aus der Luft gegriffenen Unterstellungen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft attackiert. Hintergrund waren mutige Ermittlungen von StaatsanwĂ€lten gegen hochrangige ÖVP-Politiker inklusive Sebastian Kurz.

Das hat das Satireportal „Tagespresse“ auf die Idee gebracht, am Handelsgericht Wien eine Klage gegen Hanger wegen „sittenwidrigen Wettbewerbs“ einzureichen. Als „Beweis“ wurden dessen Presseaussendungen beigelegt. Der Abgeordnete sei in Wirklichkeit Satiriker und gebe sich nur fĂ€lschlich als Politiker aus. Damit unterminiere er die Existenzgrundlage von Satirikern.

Guter Dienst fĂŒr Justiz?

So weit, so gut, humorvoll und treffsicher. Österreich hat gelacht. Dann jedoch platzte die Bombe: Die Klage wurde vom Handelsgericht als schlĂŒssig eingestuft und zugelassen. Einige haben noch stĂ€rker gefeixt, anderen verging das Lachen.

Hat das Handelsgericht Wien mit der Annahme der Klage der Justiz einen guten Dienst erwiesen? Das darf angezweifelt werden. Der „gesunde Menschenverstand“ lĂ€sst nĂ€mlich keinen Zweifel daran zu, dass Andreas Hanger ein Politiker ist. Was die Satire kann und soll, hat fĂŒr die Justiz tabu zu sein. Oder glaubt jemand, die Annahme der Klage sei juristisch gerechtfertigt?

Operette sich, wer kann!

Der „Tagespresse“ können solche Überlegungen egal sein. Sie hat angesichts der Peinlichkeiten von Politikern wie Schallenberg genug damit zu tun, die heimische politische RealitĂ€t zu ĂŒbertreffen.

Zuletzt etwa ließen die VorgĂ€nge rund um den ORF aufhorchen: So behaupten etwa nicht wenige, die Ernennung von Roland Weißmann zum neuen ORF-Generaldirektor durch Sebastian Kurz sei eine „Wahl“ durch ein „unabhĂ€ngiges“ Gremium gewesen. Auch das sollte die „Tagespresse“ klagen!