Nachwehen der Wahl â können Verfassungsrichter irren?
Jetzt haben wir den Salat! Ursache ist die schludrige DurchfĂŒhrung der BundesprĂ€sidentenwahl. War das notwendig?
âDie Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist selbstverstĂ€ndlich zu respektieren und in Zukunft ohne Wenn und Aber zu beachten.â Das schreibt Anwalt Georg BĂŒrstmayr zu Beginn seiner sachlichen EinschĂ€tzungen des VfGH-Spruchs (âAnmerkungen zur Wahlanfechtungs-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofesâ).
Er weist auf die sehr unterschiedliche EinschĂ€tzung der Sachlage durch die Verfassungsexperten Heinz Mayer, Theo Ăhlinger und Bernd-Christian Funk hin: âDrei Spitzenjuristen, und sie hatten, wie in dem ur-alten Juristenwitz, tatsĂ€chlich: vier verschiedene Meinungen.â
Da darf auch ich als einfacher StaatsbĂŒrger meine Zweifel an der Entscheidung haben. Denn eines ist klar: Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass das hier abgedruckte Ergebnis nicht richtig ist.
Im âStandardâ gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid ist sich in ihrem Kommentar âDie schlampige Republikâ sicher: âDie Aufhebung der Stichwahl war zwingend.â Sie hat ernstzunehmende Argumente. Mich ĂŒberzeugt aber ihre Schlussfolgerung nicht.
Einige Fragen und Hinweise seien gestattet: Der VfGH hat VerstöĂe gegen die Wahlordnung in 14 Bezirken festgestellt, es geht also um 77.926 Stimmen â darunter die wenigen, in denen Hofer vorne lag. Bei 31.000 Stimmen RĂŒckstand ist daher nicht vorstellbar, dass Hofer hier seinen RĂŒckstand hĂ€tte aufholen können. Spielt PlausibilitĂ€t eigentlich gar keine Rolle? Etwa bei der Frage, wer denn die FĂ€lschungen in wessen Auftrag hĂ€tte durchfĂŒhren können? Warum hat der VfGH nicht schlicht eine NeuauszĂ€hlung oder auch ein Neuaustragung der Wahl in diesen 14 Bezirken angeordnet?
Die klagende Partei FPĂ war an allen (!) inkriminierten Sachverhalten durch Wahlzeugen oder ihr nahestehende Bezirkshauptleute selbst beteiligt. Ist es normal, dass sie durch das von ihr selbst verschuldete Fehlverhalten nun profitiert? Haben die Verfassungsrichter auch daran gedacht, dass sie Hofer und der FPĂ jetzt massive Vorteile sichern? Immerhin erhĂ€lt die FPĂ im Vergleich zu den GrĂŒnen fast die doppelte staatliche Parteienförderung und ist im Genuss von massiven Zuwendungen seitens der Industrie.
Ich halte es daher eher mit Eric Frey, der auf seinem Blog meint: âKein Applaus fĂŒr die Verfassungsrichterâ. Er spricht von âRechtsfundamentalismusâ und verweist darauf, dass die Annahmen der Höchstrichter âauf realitĂ€tsfremden Fiktionenâ beruhen. Zudem betont Frey etwas sehr Wichtiges: âIn der Verfassung selbst steht dezidiert, dass eine Wahl nur dann aufzugeben ist, wenn eine Verletzung auf das Ergebnis „von Einfluss war“ â nicht „von Einfluss hĂ€tte sein können“.â
Und belieben die Mitglieder des VfGH zu scherzen, wenn sie als zweiten Grund fĂŒr die Aufhebung die Tatsache nennen, dass das Innenministerium Ergebnisse schon vor Wahlschluss mit einer Sperrfrist (!) an Medien und Institutionen weitergeben hat? Wie bei allen frĂŒheren Wahlen ĂŒblich. Wie bei allen frĂŒheren Wahlen wurde die Sperrfrist tadellos eingehalten. Wer soll dadurch beeinflusst werden? Die Journalisten?
Herbert Lackner (âEin wenig weltfremdâ): âDie Verfassungsrichter haben eine drastische Entscheidung getroffen – wirklich nachvollziehbar ist sie nicht.â
Und ich fĂŒge hinzu: Wenn Verfassungsrichter in anderen LĂ€ndern gleiche MaĂstĂ€be anlegen wĂŒrden, wĂ€re etwa in den USA wohl noch keine einzige PrĂ€sidentenkĂŒr durchgegangen. Daher ist fĂŒr mich klar, dass die Verfassungsrichter mitverantwortlich dafĂŒr sind, dass sich Ăsterreich international der LĂ€cherlichkeit preisgegeben hat.