Der 22. Juni 1941 und NATO-Manöver heute
Die NATO hat in Polen bis Ende letzter Woche das GroĂmanöver âAnakonda 2016â mit dem Ziel abgehalten, Russland gegenĂŒber StĂ€rke zu zeigen. Auch die deutsche Bundeswehr stationert Truppen im Osten. 75 Jahre nach dem Beginn von Hitlers verbrecherischem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion erscheint das offensichtlich nur wenigen als heikel.
Zur Erinnerung: Vom 22. Juni 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verloren 27 Millionen SowjetbĂŒrger ihr Leben, darunter 3,3 Millionen Kriegsgefangene, die systematisch ermordet wurden. GenerĂ€le wie Erich von Manstein befahlen den eigenen Soldaten, das âjĂŒdisch-bolschewistische System ein fĂŒr allemal auszurottenâ, forderten von den Soldaten VerstĂ€ndnis fĂŒr die âNotwendigkeit der harten SĂŒhne am Judentum, dem geistigen TrĂ€ger des bolschewistischen Terrorsâ und somit am Massenmord schon zu Beginn des âUnternehmens Barbarossaâ. Die âSĂŒddeutsche Zeitungâ widmet dem Thema einen lesenswerten Schwerpunk (âWehe den Besiegtenâ).
In Russland ist das alles nicht vergessen worden, und die europĂ€ische Politik sollte das im Kopf haben, wenn sie militĂ€rische Drohszenarien entwickelt. Glaubt im Ernst ein westlicher Politiker oder eine Politikerin, dass das heutige Russland einen NATO-Staat angreifen und damit unmittelbar vor der eigenen HaustĂŒr die Gegenreaktion des stĂ€rksten MilitĂ€rbĂŒndnisses der Welt erzwingen wĂŒrde?
Russland wird derzeit systematisch isoliert und gleichzeitig provoziert. NatĂŒrlich erfolgte die Annexion der Krim zwar mit dem Willen eines GroĂteils der Bevölkerung, sie war aber klar völkerrechtswidrig. NatĂŒrlich sind die EinschrĂ€nkung demokratischer Rechte und die Ignorierung menschenrechtlicher Prinzipien in Russland nicht akzeptierbar. Aber warum gelten nicht die gleichen MaĂstĂ€be fĂŒr VerbĂŒndete wie Saudi Arabien oder das wirtschaftlich erstarkende China?
Die jetzige Sanktionspolitik bewirkt in Russland das, was die âEU-Sanktionenâ gegen die blau-schwarze Regierung im Jahr 2000 in Ăsterreich bewirkten: einen ânationalen Schulterschlussâ und somit das Gegenteil von dem, was man vorgeblich erreichen möchte.
Und noch eines gilt es zu bedenken: In den Diskussionen um die Wiedervereinigung Deutschlands nach dem Fall der Berliner Mauer versicherten Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und US-AuĂenminister James Baker dem damaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow, dass âdie Nato nicht beabsichtige, ihr Territorium nach Osten auszudehnenâ. Die Russen wurden in der Folge ausgetrickst, inzwischen sind die Staaten Osteuropas bis zur russischen Grenze NATO-Mitglieder.
Das sollte man genauso wie die Geschichte des âUnternehmens Barbarossaâ kennen, wenn man NATO-Truppen an der russischen Grenze stationiert und dort ein GroĂmanöver veranstaltet. Immerhin einigen westlichen Politikern scheint bewusst zu sein, dass âSĂ€belrasseln und Kriegsgeheulâ dort nicht angebracht sind (âSteinmeier kritisiert Nato-MilitĂ€rĂŒbungâ).
Eher angebracht wĂ€ren Gesten wie der legendĂ€re Kniefall Willy Brandts in Warschau. Und an den âSpiegelâ: Ja er durfte!