
Kurz vor einem Streitgespräch mit Harald Mahrer für die Salzburger Nachrichten – geleitet von Alexander Purger (Mitte).
Das kann man wohl ausschließen. Aber die Causa Mahrer ist nicht das Problem, sondern eher ein Symptom für ein Problem. Aus eigener Erfahrung: Einen nach zwei Jahren intensiver Verhandlungen zur Bildungsreform ausgehandelten Kompromiss zwischen SPÖ, ÖVP und uns torpedierte Mahrer als damaliger Wissenschaftsminister in letzter Minute – als verlängerter Arm von Sebastian Kurz – unmittelbar vor der Pressekonferenz (hier zum Nachlesen, zum weiteren Verlauf der Verhandlungen in der Suchmaske „Harald Mahrer“ eingeben).
Das jetzige Desaster ist ein Symptom für fehlende Wirtschaftskompetenz in der ÖVP und mangelnde moralische Standards. Dazu mein Kommentar unter dem Titel „Politik im Blindflug“ in den Vorarlberger Nachrichten:
Wenn Wirtschaftsmanager wie der ehemalige Präsident der Industriellenvereinigung der Landesregierung mangelnde Wirtschaftskompetenz attestieren und „Vorarlbergs Finanzpolitik im Blindflug“ sehen, sollten die Alarmglocken schrillen. Lange galten wir in Sachen Budgetstabilität als Vorzeigebundesland. Heute müssen Wallner, Bitschi & Co externe Beratung kaufen, um das Budget – hoffentlich – wieder in den Griff zu bekommen.
Unbeholfenheit und Ratlosigkeit gibt es auch auf Bundesebene. Die skurrilen Auftritte des gestern zurückgetretenen Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer zum Privilegien-Stadl im eigenen Haus und seine rhetorischen Taschenspieler-Tricks sind noch die harmlosesten Beispiele. Unnötig zu erklären, dass die um sechs Monate verschobene Lohnerhöhung für Kammerbedienstete keine „Halbierung“ ist.
Unnötig auch zu erklären, dass die gigantischen Rücklagen der Wirtschaftskammer von über zwei Milliarden Euro derzeit als Konjunktur-Turbo dringend in die Wirtschaft gepumpt werden sollten, um jenen Betrieben zu helfen, die diese gewaltige Summe mit ihren Zwangsbeiträgen zustande gebracht haben.
Belastend sind auch die steigenden Defizite auf nahezu allen Ebenen des Staates. Neue Zahlen aus den Bundesländern lassen den angeblichen „Stabilitätspakt“ als recht unverbindliches Gebilde erscheinen. Das gesamtstaatliche Defizit soll nicht wie geplant bei den an sich schon horrenden 4,5 Prozent liegen, sondern plötzlich bei 4,9 Prozent. Genaue Daten aus den Bundesländern gibt es aber noch immer nicht.
Wie reagieren die Verantwortlichen? „Wir müssen sparen!“ Das klingt gut, die Frage ist nur: Wo wird gespart? In Vorarlberg sind die Schwächsten der Gesellschaft von den Kürzungen betroffen – Kinder mit Beeinträchtigungen, Kranke, Menschen in Notlagen usw. Auf Bundesebene wird vor allem dort gespart, wo Ökonomen große Chancen für ein Wirtschaftswachstum sehen – in der Klimapolitik.
Da ist es fast schon verständlich, dass sich weder Politik noch Wirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung in eine Diskussion zum Thema in die „ZiB 2“ getraut haben. Dort machte die mehrfach ausgezeichnete Klimaökonomin Sigrid Stagl deutlich, warum der zuletzt so erfolgreiche Weg zum Klimaschutz nicht gestoppt werden dürfe: Er ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll.
Erneuerbare Energien sind günstiger und effizienter. Klimaneutrale Geschäftsmodelle arbeiten „mit der Physik, mit der Natur, und das ist produktiver, kostensparender und wettbewerbsfähiger“ – so die Ökonomin. Der Umstieg kostet im Vergleich zum derzeitigen fossilen Weiterwirtschaften nur etwa ein Fünftel der Folgekosten.
In einem „offenen Brief“ unterstützen 2.178 Wissenschafter:innen diese Position und verweisen darauf, dass ein Aufweichen des Klimaschutzes teurer ist als Investitionen in den Klimaschutz. Harald Mahrer und Markus Wallner kümmern sich aber derweil lieber um anderes als um Expertise aus der Wissenschaft.
