Wer etwas leisten soll, muss bekanntlich aufstehen und darf nicht sitzen bleiben. Theoretisch weiß das auch die Ministerin und fordert ein Ende des Sitzenbleibens, praktisch geschieht aber nichts. Ich habe daher heute in einem ORF-Interview folgenden Appell formuliert:
Ich fordere die Lehrkräfte auf, generell alle Schülerinnen und Schüler mit nur einem Nicht genügend aufsteigen zu lassen. Ein pädagogischer Nutzen des Sitzenbleibens ist nur in ganz wenigen Fällen vorhanden. Wegen einer Schwäche in einem Fach auch alle anderen, positiv abgeschlossenen Fächer ein ganzes Jahr lang wiederzukäuen, ist leistungsfeindlich, demotivierend und darüber hinaus teuer.
Derzeit entscheidet die Klassenkonferenz darüber, ob SchülerInnen mit einem Nicht genügend aufsteigen dürfen oder nicht. Österreichweit profitieren 12.500 und somit etwa die Hälfte der SchülerInnen mit einem Nicht genügend von der sogenannten „Aufstiegsklausel“: An einigen Schulen steigen fast alle Betroffenen auf, an anderen fast keine. Das ist ungerecht und sachlich nicht zu rechtfertigen. Dabei gibt der Erfolg dieser Regelung Recht, denn derzeit schaffen vier von fünf SchülerInnen mit der „Aufstiegsklausel“ im nächsten Jahr das Klassenziel problemlos.
Das automatisches Aufsteigen mit einem „Fünfer“ würde zudem allen helfen: den SchülerInnen, die sich auf das nächste Schuljahr konzentrieren können, ihren Familien, die sich viel Stress im Sommer ersparen, und auch den LehrerInnen, denen eine schwere Gewissensentscheidung abgenommen wird. Begleitend brauchen wir zu Beginn des folgenden Schuljahres Förderunterricht im Ausmaß von mindestens zehn Stunden, damit die SchülerInnen leichter Anschluss finden. Das sei leicht zu finanzieren, denn mein Vorschlag entlastet das Unterrichtsbudget sogar. Pro SchülerIn liegt beispielsweise die durchschnittliche Ausgabe pro Jahr an einer HTL bei bis zu 15.000 Euro.
Es ist Zeit für einen mutigen Schritt der Lehrkräfte: Wenn sich die Regierung mit Ankündigungspolitik zufrieden gibt, sollten die Lehrkräfte ein konkretes Zeichen für eine moderne Pädagogik setzen und für alle Schülerinnen und Schülern mit nur einem Fünfer die Möglichkeit zum Aufstieg schaffen!
Denn für die Schule muss gelten: „Kein Kind zurücklassen!“
Die Gesamtleistung muss zählen! Es wird Zeit, dass sich im österreichischen Schulsystem grundliegende Dinge verändern. Das Aufsteigen mit nur einer negativen Note wäre ein wichtiger Ansatz. In anderen Ländern, z.B. Schweiz, funktioniert das wunderbar. Dort können negative Noten mit positiven kompensiert werden. Somit können Schwächen durch Stärken ausgeglichen werden. Hat ein Schüler mehr als drei negative Noten im Zeugnis oder ist der Notendurchschnitt zu niedrig, muss das Jahr automatisch wiederholt werden. Es gibt somit keine Nachprüfungen im September. Die betroffenen Schüler wissen bereits vor den Sommerferien, ob sie das Jahr bestanden haben oder nicht.
Ein Wiederholen ist also nur angesagt, wenn die Leistung in mehreren Fächern nicht ausreichend ist.
Die Vorteile liegen bei diesem System klar auf der Hand: der Schüler scheitert nicht an einer Einzelleistung. Die von Ihnen angesprochene Gewissensentscheidung der Lehrer fällt auch weg, denn kein Schüler wird alleine an ihrem Fach scheitern. Zusätzlich gibt es auch organisatorische Vorteile: Klassengrößen/ Teilungszahlen stehen viel früher fest.
Ich habe jahrelang in der Schweiz unterrichtet und dieses System als sehr gerecht empfunden.
Das ist ein spannendes Beispiel! Gilt das für die gesamte Schweiz oder nur für einzelne Kantone?
Von Mag. Michael Procházka per Mail erhalten, da … die „Kommentar verfassen“-Funktion anscheinend fallweise Probleme macht:
Die Diskussion geht in die richtige Richtung, doch vom Ziel sind wir sehr weit entfernt. Unser Schulnotensystem beurteilt eigentlich nicht die Schüler/innen, sondern die Lehrer/innen.
Wenn ein „nicht genügend“ im Zeugnis steht, bedeutet das, dass es der/die Lehrer/in nicht geschafft hat, dem/r Schüler/in das erforderliche Wissen in ausreichendem Maße zu vermitteln.
Das hat in den wenigsten Fällen mit der Intelligenz oder dem Lerneifer der Schüler/innen zu tun, sondern mit der sozialen Kompetenz der Lehrer/innen. Und genau dort solle man meiner Meinung nach ansetzen.
Das Sitzenbleiben für Lehrer/innen sollte eingeführt werden. Wenn es ein/e Lehrer/in nicht schafft Wissen zu vermitteln, kann etwas nicht stimmen. Entweder ist es der falsche Beruf, oder es fehlen dem/der Lehrer/in entscheidende (soziale) Kompetenzen.
Im aktuellen System empfehle ich einen sofortigen Lehrer- bzw. Schulwechsel. Ich habe das selbst erlebt. Aus einem „nicht genügend“ (der Lehrer konnte mich tatsächlich nicht leiden!) wurden 3 – obwohl ich in den anderen Fächer eigentlich immer gut war. Meine Eltern machten das einzig richtige: ein sofortiger Schulwechsel ersparte mit das Sitzenbleiben und aus 3 nicht genügend wurden im Folgejahr ein gut und zwei sehr gut!
Nach wie vor gibt es Lehrer/innen die, so meine ich, gerne ihre Macht zeigen, indem sie „nicht genügend“ verteilen. Ich habe mir solche Situationen angesehen und bin zum Schluss gekommen, dass diese Art von Lehrern ihren Beruf verfehlt haben. Und genau dort müsste man meiner Meinung nach ansetzen!
Also, bitte nicht immer die Schüler/innen schlecht reden! Es liegt in der Natur und in den Genen, dass ALLE Kinder wissbegierig und lernbereit sind. Es liegt an den Lehrer/innen mit dieser naturgegebenen Lernbereitschaft umzugehen um mit entsprechender sozialer Kompetenz die Schüler/innen zu motivieren, falls diese gerade in etwas schlechter Verfassung sind!
blauäugig-grünes bidungsverständnis S.g. Herr Dr. Walser!
Es kann nicht Ihr Ernst sein, das automatische Aufsteigen mit einem Nichtgenügend zur Regel werden zu lassen, zumal – wie Sie als ehemaliger AHS-Direktor ja ganz gut wissen müssen – unter den derzeitigen Vorgaben die Klassenkonferenz sehr genau und differenziert abwägt, ob – unter Bedachtnahme auf die übrigen schulischen Leistungen der betroffenen Schülerinnen und Schüler- ein Aufsteigen mit einer negativen Beurteilung für das Kind sinnvoll erscheint. Die „Aufstiegsklausel“ wird nur dann nicht gegeben, wenn zumindest ein „Genügend“ nicht „abgesichert“ erscheint, d. h. an der Grenze zum „Nichtgenügend“ liegt. Es ist also mitnichten eine willkürliche Entscheidung der Lehrer, sondern wir halten uns an konkrete Bestimmungen, an denen sich auch die Juristen der Landesschulräte in Berufungsfällen orientieren. Es wird somit genau erwogen, ob die entsprechende Schülerin/der entsprechende Schüler noch Ressourcen hat, um das Versäumte nachzuholen, was die genaue Kenntnis der Gesamtleistungen im Schuljahr voraussetzt. Eine von Ihnen vorgeschlagene „Generalregel“ wäre nicht nur im Einzelfall kontraproduktiv, sondern der weiteren Qualitätsentwicklung unseres Schulwesens in großem Maße abträglich. Bitte, nehmen Sie in Hinkunft Abstand von populistischer „Meinungsmache“ und halten Sie sich an belegbare Fakten!
MfG
R. Matzke
Das fehlende „l“ in der Überschrift reflektiert nicht meine Orthographieschwäche!
Sehr geehrter Herr Kollege Matzke! Ihr Beitrag schildert die jetzige Situation, Ihre Ausführungen kann ich daher gut nachvollziehen. Worum es mir geht (und da verwehre ich mich gegen das „populistisch“): Gegenwärtig darf etwa die Hälfte der SchülerInnen mit einem Nicht genügend aufsteigen. Wenn wir unter diesen eine Erfolgsquote von über 80 haben, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit für die andere Hälfte dann sehr große, wenn sie zu Beginn des folgenden Schuljahres Förderunterricht in Kleinstgruppen erhält. Diese Begleitmaßnahme habe ich von der Ministerin gefordert.
Ich finde das es den Schülern sehr leicht gemacht wird den diese(r) strengt sich in diesen Fach nicht an und es ist alles egal