Das ist eine erfreuliche Initiative: Im kleinen Ort Fontanella im hinteren Großen Walsertal begann im Jahr 2008 die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in der NS-Zeit. Es enstand eine Initiativgruppe. Aufgearbeitet wurde ein Kapitel der Dorfgeschichte, das in den Archiven so gut wie verschwunden war. Die ganze letzte Woche stand im Zeichen des Gedenkens: „Gedenkwoche für Kriegsgefangene in Fontanella“
Mit Werner Bundschuh wurde ein engagierter Historiker mit Nachforschungen beauftragt. Sein Ergebnis: Es gab auch hier in Fontanella und Faschina Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager, eines direkt auf dem Faschinapass, das andere bei der „Säge“ in Fontanella. Die genaue Anzahl an Zivilarbeitern und Kriegsgefangener lässt sich nicht mehr eruieren, alle relevanten Akten der BH Bludenz wurden bei Kriegsende vernichtet. Über die Nachbargemeinde Damüls – zur BH Bregenz gehörend – wissen wir deutlich mehr.
Elisabeth Burtscher, die Initiatorin des Projekts, berichtete gestern: „Die Zwangsarbeiter waren überwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt, wurden aber auch zusammen mit Kriegsgefangenen beim Ausbau der Faschinastraße eingesetzt.“
Für das Dorf ist belegt, dass Kriegsgefangene hier zu Tode gekommen und bestattet worden sind: Franz Woitzechowski aus Minsk wurde 1944 erschossen, Dimitri Michailow aus Leningrad starb 1943 an einem Herzinfarkt. Sie wurden im Wald verscharrt und einige Zeit später von Einheimischen in einer Nacht- und Nebelaktion exhumiert und auf dem örtlichen Friedhof beerdigt. Heute liegen sie auf dem „Russenfriedhof“ bei der Valduna in Rankweil. Man wies gestern bemerkenswert offen auch auf die dunklen Seiten hin – der Rassismus machte auch vor Einheimischen nicht halt.
Gestern wurden auch die zwei vom Götzner Künstler Hubert Lampert gestaltete Erinnerungsmahnmale eingeweiht: an der Pfarrkirche in Fontanella (Bild) und bei der Kapelle am Faschinapass. In die auf dem Bild zu sehenden Steine haben Zwangsarbeitern Zeichen geritzt, darüber ist in Augenhöhe ein „gequältes Kreuz“ aus Stahl zu sehen, das verzerrt und nur von einem bestimmten Betrachterstandpunkt aus als Kreuz erkennbar ist: Geschichte als Perspektivenphänomen.
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