Josef Pröll hat letzte Woche so getan, als sei seine ÖVP im 21. Jahrhundert angekommen und behauptet, er wolle die Ganztagsschule fördern. Ein PR-Erfolg war ihm sicher. Bei genauerem Hinsehen musste man feststellen, dass er die jetzige Halbtagsschule weiterführen will und nur Nachmittagsbetreuung meint. Was in Skandinavien, Kanada, den USA, Frankreich oder Großbritannien selbstverständlich ist, bleibt bei uns einer dünnen Schicht vorbehalten.
Ich habe heute deshalb mit ElternvertreterInnen unser Modell vorgestellt. Der Vorteil: Es wird an einigen Schulen schon praktiziert – etwa an der Wiener Ganztagsvolksschule Asperallee. Hier gibt es „verschränkten Unterricht“ – also die pädagogisch sinnvolle Abfolge von Lern-, Übungs- und Erholungsphasen. Das ermöglicht eine neue Lehr- und Lernkultur, die Förderung von Interessen des einzelnen Kindes, von Selbstständigkeit und Freude am Lernen. Und man lässt Kindern genügend Zeit zur Entwicklung.
Konservative SchulpolitikerInnen fordern eine Wahlfreiheit zwischen verschränktem Unterricht, Nachmittagsbetreuung und reinem Vormittagsunterricht am selben Standort. Wer Betreuung möchte, muss diese dann auch bezahlen. Die „Wahlfreiheit“ ist somit immer mit der Kostenübernahme durch die Eltern verbunden. Echte Wahlfreiheit besteht nicht.
Die für Kinder besonders gut geeignete Form des verschränkten Unterrichts bleibt bei der Realisierung dieses Vorschlags hauptsächlich jenen Kindern vorbehalten, deren Eltern sich diese Form des Unterrichts leisten können. Nicht umsonst bieten bereits heute viele Privatschulen den verschränkten Unterricht an. Er wird von den Eltern gefordert, weil er für die Kinder am besten geeignet ist. Wo eine Wahlmöglichkeit besteht, gibt es auch immer Selektion anhand sozialer Kriterien. Im öffentlichen Schulsystem, vor allem in der Pflichtschule, hat diese Selektion nichts verloren.
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