Bundespräsident Heinz Fischer hat erfreulich deutliche Worte zur FPÖ-Kellernazi-Kandidatin Barbara Rosenkranz gefunden. In Österreich ist das leider nicht selbstverständlich.
Problematisch allerdings ist eine andere fast gleichzeitig abgegebene Botschaft: In einer Grußbotschaft an die Sudentendeutsche Landsmannschaft in Österreich verurteilte er die Beneš-Dekrete als „schweres Unrecht“. In diesen Dekreten geht es um die Enteignung und Vertreibung der Sudentendeutschen aus der Tschechoslowakei im Jahre 1945. Das war sicherlich ein Unrecht.
Ob diese Form der Einmischung durch den amtierenden Bundespräsidenten aber richtig und politisch klug ist, darf bezweifelt werden. Immerhin hat es vor der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages nach langen Verhandlungen eine Einigung mit Tschechien gegeben. Dementsprechend groß ist dort jetzt die Aufregung. Erste Reaktionen auch von sozialdemokratischer Seite in Tschechien waren jedenfalls sehr scharf: Tschechien mokiert sich über Fischer.
Immerhin ist dem Unrecht des Jahres 1945 anderes Unrecht vorausgegangen. Einige simple Fragen sollte sich Heinz Fischer stellen: Wie weit darf Unrecht zurückliegen, damit es aufgegriffen werden kann? Die Beneš-Dekrete stammen aus dem Jahr 1945. Wie wäre es mit 1938 oder 1939 – der Besetzung des „Protektorats“ bzw. der „Resttschechei“ durch das NS-Regime? Immerhin gab es massenhaft Unrecht, es drohte die vollständige „Germanisierung“. 250.000 Opfer aus dem „Protektorat“ sprechen eine ebenso deutliche Sprache wie etliche Nazi-Massaker – das bekannteste in Lidice. Oder gehen wir noch weiter zurück? In die Monarchie mit der langen Unterdrückung der tschechischen Bevölkerung? Oder gar bis zum 30-jährigen Krieg, als es neben Massenhinrichtungen auch zu einer großangelegten Enteignung des – protestantischen – böhmischen Adels gekommen ist?
Wer eine derartige Grußbotschaft an die „sudentendeutsche Landsmannschaft“ verfasst und behauptet, dass die Vereinbarungen bei der Unterzeichnung des Lissabon-Vertrags „auf die Beneš-Dekrete in Wahrheit keine Auswirkung“ habe, spielt mit dem Feuer. Pacta sunt servanda – das gilt auch für die Einigung der übrigen 26 EU-Länder mit Tschechien im Jahr 2009!
Zudem schwächt Fischer die besonnenen Kräfte in Tschechien. Immerhin hat der damalige Staatspräsident Vaclav Havel 1995 Worte des Bedauerns und der kollektiven Scham über die Gräueltaten bei der Vertreibung der Sudetendeutschen gefunden und 2002 die Aufarbeitung dieser Geschichte gefordert.
Das 1945 begangene Unrecht muss aufgearbeitet werden. Eine deutsch-tschechische Erklärung gibt es bereits, eine österreichisch-tschechische fehlt noch immer. Wir Grüne sind für die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds für den Aufbau des Dialoges. Am Ende eines derartigen Dialoges soll eine gemeinsame österreichisch-tschechische Erklärung stehen.
Wer im Glashaus sitzt … … sollte nicht mit Steinen werfen. Gerade die Grünen schrecken in der Regel (vielfach zu Recht) ja nicht davor zurück, Unrechte aufzugreifen, die irgendwann in der Steinzeit passiert sind.
War das von Fischer klug? Nein. Kann man es ihm zum Vorwurf machen? Nein. So einfach ist es.
Die Linken hinterm Arlberg Bei Gelegenheit klären´s doch Ihre „Spezi“, den Herrn Arno Brändle mal auf: Es gibt auf dem Bog wohl einige sehr rechte Blogger, allerdings auch sehr viele konservative Menschen, die ihre Meinung darstellen. Die letztere Gruppe hat einen sehr realistischen Blick auf die Probleme dieser Republik – im Gegensatz zu den grünen Träumern!!! Also, wär echt eine intelektuelle Spitzenleistung des Herrn AB, wenn er das nächste Mal die beiden Gruppen differenzieren könnte. Was die Leute da schreiben, ist ein Abbild des Meinungsklimas in dem Land! Der Ausschnitt der Realität beschränkt sich aber auf den den rechten Rand, wenn man ganz links steht, ansonsten kommt die Mitte zum Vorschein!!! Dass das Gros der Österreicher eine sehr kritische Haltung zu Asylanten und Ausländern hat, sollte der Herr AB zur Kenntnis nehmen.
Bravo, Heinz Fischer! 1) Fischer hat – im Gegensatz zur IKG Wien – Worte zur Kandidatur von Frau Rosenkranz gefunden, die angemessen und respektabel sind und gegen die kein Demokrat/keine Demokratin sein kann, selbst wenn er/sie FPÖ-nahe ist.
2) Unrecht mit Unrecht aufzurechnen ist zwar „menschlich“ verständlich aber letztlich barbarisch und deshalb kein (gutes) Argument bei dem Thema. Heinz Fischer hat immer klare, glaubwürdige Worte zum Unrecht vor 1945 gefunden (gut so!) – gerade deshalb hat er das moralische Recht auch Unrecht nach 1945 zu benennen (gut so!)!!
Übrigens: Die von Havel angemahnte Aufarbeitung der Geschichte hat es in der Breite nie gegeben – die Überreaktionen der Tschechen beim Thema „Benes-(Unrechts-)Dekreten“ hat letztlich auch damit zu tun! Eine österreichisch-tschechische Erklärung, die sich an den Text der bestehenden deutsch-tschechischen Erklärung anlehnt, wäre nur zu begrüßen – sich von grüner Seite dafür einzusetzen ist sinnvoll!
gefällt mir… … nicht, was sie da schreiben. ich glaube die grußbotschaft von fischer sollte eher im zusammenhang vom wahlkampf gesehen werden. so dumpf ist der fischer ja sonst nicht.
nora Was ist bitte „dumpf“ daran, dass Fischer, dem Populismus nun wirklich fremd ist, Unrecht als solches benennt?! Hat mit dem BP-Wahlkampf übrigens rein gar nichts zu tun, da er diese Position schon seit Jahren äussert!
Sorry, aber mir scheint viel eher Ihr Intellekt „dumpf“, da es Ihnen offensichtlich nicht gelingt das Thema Benes-Dekrete fair und angemessen zu beurteilen!
Zustimmung Herr Dr. Walser! Bin auch dafür, das Unrecht, das wir unseren Nachbarn im Dreissigjährigen Krieg zugefügt haben endlich in den Mittelpunkt der politischen Debatte in Österreich zu stellen. Das gehört rücksichtlos aufgearbeitet und in den Entschädigungsfonds sind mindestens 10 Milliarden einzustellen!
Wann können wir GrünInnenwählerInnen da mit Ihrem Initiativantrag und Ihrer dringlichen Anfrage an den Bundeskanzler rechnen?!