Man stelle sich vor: Ein Lehrer an einer österreichischen Schule übergibt seinen SchülerInnen eine Liste mit den Namen „jüdischer“ Firmen, bei denen oder von denen die SchülerInnen künftig nichts kaufen dürfen – darunter Coca Cola, McDonalds etc. Nein, nicht erfunden! Realität. Immerhin hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied gestern umgehend gehandelt: Der besagte Pädagoge, ein islamischer Religionslehrer, wurde supendiert.
Allerdings zeigt der Fall die ganze Problematik des Religionsunterrichts (RU) an österreichischen Schulen auf, denn die Ministerin handelte – sagen wir mal – im „rechtlichen Graubereich“. Eigentlich ist es nämlich den staatlichen Behörden nicht erlaubt, eine solche Maßnahme zu setzen. Im § 2 (1) des Religionsunterrichtsgesetzes heißt es: „Der Religionsunterricht wird durch die betreffende gesetzlich anerkannte Kirche oder
Religionsgemeinschaft besorgt, geleitet und unmittelbar beaufsichtigt.“ Der Staat darf den RU zwar finanzieren, für die Bestellung oder Abberufung der PädagogInnen ist aber ausschließlich die jeweilige Religionsgemeinschaft zuständig. Schmied argumentierte damit, es sei „Gefahr in Verzug“. Anas Schakfeh, der Oberschulinspektor für den islamischen RU, hat das nach einigem Zögern akzeptiert.
Es ist also so, dass die Suspendierung eines Lehrers, der im Unterricht gegen Juden hetzt, nur bei „Dehnung“ der gesetzlichen Bestimmungen und zumindest nachträglicher Billigung der Religionsgemeinschaft möglich ist! Ein klarer Missstand: Die Kontrolle der ReligionspädagogInnen darf nicht zur Einzelfallmaßnahme verkommen. Wir brauchen eine flächendeckende Kontrolle der Unterrichtstätigkeit konfessioneller ReligionspädagogInnen an staatlichen Schulen. Das ist auch im Interesse der überwiegenden Mehrzahl der ReligionslehrerInnen, die gute Arbeit leistet. Ein besonders erfreuliches Beispiel für notwendige Selbstkritik ist mein ehemaliger Kollege, der islamische Religionslehrer Aly El Ghoubashy. Er meinte in einem „VN“-Interview, der gängige islamische Unterricht in Vorarlberg sei mit wenigen Ausnahmen „qualitativ völlig daneben“: „Dem größten Teil der islamischen Lehrerschaft fehlt das nötige Wissen.“ In den Stunden hätten die Kinder „meist nur gemalt oder gespielt“, während die Lehrer mit anderen Dingen beschäftigt waren. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Wien bestelle die Lehrer nach Gutdünken und oft „als eine Art Geste an die Vereine“. Die Lehrer selber „sammeln nur Stunden“. Für jede Stunde müsse der Lehrer einen Solidarbeitrag an die Islamische Glaubensgemeinschaft entrichten. Was mit dem Geld geschehe, habe ihm bis heute niemand erklären können. Wenige Tage zuvor hatte übrigens der zuständige Landesrat Siegi Stemer noch öffentlich verkündet, eine „kürzlich durchgeführte Umfrage in den Vorarlberger Schulen zeigt in Bezug auf den islamischen Religionsunterricht keine Auffälligkeiten“.
Die öffentliche Diskussion um die islamischen ReligionspädagogInnen sind ebenso wie fundamentalistische Strömungen innerhalb der katholischen Kirche eine Bestätigung für die Forderung nach einem verpflichtenden Ethikunterricht für alle SchülerInnen: Religion ist Privatsache, aber ethische Grundsätze, Kenntnisse über die Weltreligionen oder die Menschrechte sind Werte, die allen SchülerInnen gleichermaßen vermittelt werden müssen. Daneben kann ich mir auch einen konfessionellen Religionsunterricht vorstellen – auf freiwilliger Basis und unter Kontrolle der Lehrinhalte und der Qualität durch die staatliche Schulaufsicht.
Ich habe zu diesem Thema eine paralamentarische Anfrage eingebracht.
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