Diesen Satz aus der heutigen „Presse“ („Wiener Philharmoniker: NS-Ideologie im Walzertakt?“) muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
„Aus wissenschaftlicher Sicht ist das NS-Kapitel der Wiener Philharmoniker nämlich ´längst abgeschlossen`, wie der Wiener Zeithistoriker Oliver Rathkolb erklärt. ´Alles liegt auf dem Tisch`, mit der von Walser geforderten Einsetzung einer Historikerkommission würde man ´weit übers Ziel hinausschießen`.“
Ein Historiker erklärt jetzt also, dass einmal behandelte Themen „abgeschlossen“ sind? Gilt das künftig für alle „Kapitel“, die in einem Buch behandelt worden sind? Funktioniert Wissenschaft neuerdings so?
Ich glaube nicht und darf den Herrn Kollegen daher an einige offene Fragen im Zusammenhang mit dem „NS-Kapitel“ erinnern:
• Wenn „alles auf dem Tisch“ liegt, warum ist dann für Interessierte bis heute kein ungehinderter Zugang zum Archiv der Philharmoniker möglich?
• Gibt es einzelbiographische Studien der Gastdirigenten seit 1933?
• Sind die Lebensläufe der Philharmoniker zwischen 1938 und 1945 und ihre jeweilige Situation während des Nationalsozialismus sowie danach erforscht worden?
• Gibt es einzelbiographische Studien zu den NS-Opfern der Philharmoniker?
• Gibt es eine Forschung zu den Provenienzen der Instrumente? Was ist passiert mit den Instrumenten der nach Nürnberger Gesetzen als Juden verfolgten Mitglieder der Philharmoniker? Wie schaut es aus den noch heute in Verwendung stehenden Instrumenten?
• Gibt es im Zusammenhang mit der Vereinsgeschichte der Philharmoniker Forschungen zu den Freistellungen der Philharmoniker durch den Stillhaltekommissar für Vereine?
• Ist die Aufführungspolitik der Philharmoniker in den Jahren zwischen 1938 und 1945 wirklich untersucht worden? Wissen wir wie, wo und wann Konzerte gespielt worden sind? Welche Werke gespielt wurden und welche nicht? Welche Nebenbeschäftigungen von den Philharmonikern wahrgenommen wurden?
• Wie schaut es aus mit der Rezeptionsgeschichte der Wiener Philharmoniker zwischen 1938 und 1945 in den nationalsozialistischen Medien?
Fragen über Fragen, auf die es – noch – keine Antworten gibt. Und der Zeithistoriker Oliver Rathkolb erklärt uns, das Kapitel Philharmoniker und NS-Zeit sei „längst abgeschlossen“, „alles liegt auf dem Tisch“ und mit der von mir geforderten Einsetzung einer Historikerkommission würde man „weit übers Ziel hinausschießen“.
Darauf mag sich jeder selbst seinen Reim machen!
Und heute? Warum werden die Nazi-parallelen Aktivitaeten von FPOe/K, BZOe … noch immer geduldet?
Dümmer geht´s nümmer Für einen Akademiker, was in Österreich offenbar kein Qualitätsbeweis ist, ist die angeblich fehlende Aufarbeitung der Philharmonikergeschichte, die nachzuholen ist, eine mehr als seltsame Forderung.
Erstens werden überwiegend Vermutungen und Unterstellungen geäußert, ohne Beweis. Die Beweise für die Schuld sollen die Angegriffenen selbst liefern.
Zweitens behaupten nicht einmal Sie, daß die Philharmoniker als Verein die „Untaten“ begangen haben. Ein einzelner soll es gewesen sein! Aha!
Drittens haben Sie nicht in dieser Zeit gelebt. Im Nachhinein klüger sein zu wollen, ist eher beschämend.
Viertens ist das „Verbrechen“ über 65 Jahre her und jedenfalls nicht so gewaltig, daß es noch heute „aufgeklärt“ werden muß.
VOR 65 Jahren hätte ich eher Verständnis für Ihre Forderung gehabt.
Aber so sind sie, die Politiker. Man möchte wieder einmal in der Zeitung stehen. Wahlen stehen auch bald an, man kann „Aktivität“ vortäuschen. Und sei sie noch so einfältig und durchsichtig.
Sie sollten über Prioritäten, gerade in Österreich, nachdenken.