Am Zentralfriedhof rotieren die Altvorderen der Sozialdemokratie: Ihre Nachfahren erfüllen den ÖVP-Fundis jeden Wunsch und haben am Donnerstagabend im Nationalrat das alte sozialdemokratische Prinzip der Trennung von Staat und Kirche über Bord geworfen. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag fordern Schwarz und Rot unter begeisterter Zustimmung der Rechtsparteien u.a., dass die Regierung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klar machen soll, dass sein Urteil „nicht dem Verständnis des im Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrechts auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit entsprechen“. Menschenrechte werden also jetzt von Schüssel & Co und nicht mehr von unabhängigen Richtern definiert! Ich habe dazu im Parlament Stellung bezogen: < file name="Kruzifixstreit" >

Übrigens, ein Freund von den Tiroler Grünen (Gerhard Fritz) hat auf folgenden Umstand hingewiesen: Die Religionsfreiheit erlaubt es natürlich den einzelnen (SchülerInnen genauso wie LehrerInnen, die in einer demokratischen Schule ja nicht „hoheitliche“ Vorgesetzte sind, sondern gemeinsam mit den SchülerInnen an deren Bildung arbeiten), religiöse Symbole zu tragen; die „Zumutung“ des Erlebens, dass es auch andere als den eigenen Glauben gibt, ist dem gesellschaftlichen Pluralismus durchaus förderlich. Der Staat aber, insbesondere dann, wenn er mit Zwangsgewalt ausgestattet ist, darf nicht den Eindruck erwecken, eine bestimmte Religion sei „die richtige“.

Daraus zu schließen, das Urteil sei eigentlich ein Angriff auf die Religionsfreiheit, und als nächstes würden Kirchen und Klöster geschlossen, ist abwegig. Es geht nicht darum, christliche (oder jüdische, oder islamische…) Symbole aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und die Zivilgesellschaft gleichsam „a-religiös“ zu missionieren. Es geht nur darum, was der Staat nicht darf: nämlich eine Präferenz für eine bestimmte Religion manifestieren.