Weil die Zeit „schlimm ist für den Glauben“, haben sich die Verteidiger des „christlichen Abendlandes“ in der Diskussion um ein „Kruzifix-Verbot“ umgehend zu Wort gemeldet. Egal, ob Fast-Bundespräsident Erwin Pröll oder ÖVP-Chefideologe Andreas Khol – sie alle prophezeien einen „Werteverlust“, sollten Kreuze nicht mehr in den Schulen hängen. Sie alle erinnern an die „christlichen Wurzeln“ Europas.
Die „Presse“ hat Menschen mit sehr unterschiedlichem Zugang eingeladen, zu diesem Thema ihre Standpunkte zu veröffentlichen. Ich habe das heute unter dem Titel „Schlimm ist die Zeit für den Glauben“ gemacht. In meinem Beitrag geht es mir um den Nachweis, dass die Berufung auf die christlichen „Wurzeln“ unserer Kultur durchaus problematisch ist.
Valentin Zsifkovits, ein emeritierter Grazer Professor für Ethik und Sozialwissenschaft, argumentiert genau umgekehrt: „Das Kreuz ist kein destruktives Symbol“.
Kruzifixdiskussion verbaut Blick auf das Wesentliche Diese Diskussion läuft Gefahr zu scheitern bevor sie richtig begonnen hat. Sie erinnert frappant an die kaum beendete Minarettdiskussion. Diesmal verbeissen sich die Diskutanten in ein christliches Symbol, dessen Platz in den Schulen angeblich 80 der Bevölkerung bereit ist, mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Hand aufs Herz, bei wie vielen dieser heissblühtigen Verteidiger des christlichen Abendlandes hängt denn ein Kruzifx zu Hause an einer der vier eigenen Wände? Wann das letzte mal davor gebetet wurde, geht mich natürlich nichts an, aber würde ich die Frage stellen, wen würde sie nicht in Verlegenheit bringen?
Woher also dieser Eifer? Woher die Entrüstung einer Anna Franz kürzlich im Nationalrat, die die Welt nicht mehr verstehen wollte, weil ein Vorarlberger Abgeordneter (einer der „ihren“!) sich vorstellen kann, auf religiöse Symbole in Schulen zu verzichten?
Nun mag es auch auf Seiten der Anhänger einer radikalen Säkularisierung bisweilen wenig Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle oder Traditionen geben, die einer gewissen Gelassenheit in dieser Diskussion im Wege stehen. Tatsache ist aber schon, dass unsere Traditionalisten mit einer penetranten Selbstverständlichkeit ihre Weltsicht als die einzig seligmachende ansehen und geradezu frech davon ausgehen, dass Andersdenkende keinerlei Ansprüche zu erheben haben.
Für mich bemerkenswert hat der Islamwissenschaftler Tariq Ramadan in einem Artikel aus dem Jahre 2007 zu genau diesem Thema eine sehr differenzierte Analyse vorgelegt, die vor allem eine Dimension beleuchtet, die in der hiesigen Kruzifixdiskussion bisher zu kurz gekommen ist. Es geht ja in Wahrheit nicht darum, wie gut oder weniger gut die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern begründet werden kann. Letztlich geht es doch darum, wie wir den Übergang von einer unipolaren zu einer multipolaren Gesellschaft auf friedliche Weise hin bekommen. Die bisherige Diskussion belegt meiner Meinung nach nur, dass kaum erkannt wurde, wie weit dieser Prozeß des gesellschaftlichen Wandels bereits fortgeschritten ist.
Tariq Ramadans Artikel (leider nur auf Englisch): http://www.commongroundnews.org/article.php?id=20264&lan=en&sid=1&sp=0
Tariq Ramadan auf Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Tariq_Ramadan
und ja, ich bin einer, dem eine weisse Wand oder ein leerer Fleck auch genügen würde, wenn gleich ich darin nicht unbedingt eine Bevorzugung der Bekenntnislosen erblicke, wie ein Poster in einem der Foren witzigerweise bemerkt hat.
Sehr geehrter Herr Walser!
Was glauben Sie, auf wessen Meinung wird mehr Wert gelegt: Auf die eines Uni Dozenten em, oder auf die eines AHS Lehrers?
Sie haben richtig geraten: Ihre Meinung ist für jedermann entbehrlich!
ps: natürlich auch für jedermannin, um in der Sprache Ihrer Partei korrekt zu bleiben.
MfG
Im Gegensatz zu anderen Einträgen … aus der Salzburger Moosstraße, muss dieser nicht gelöscht oder gar angezeigt werden.
zu zsifkovits artikel… deschner schreibt sinngemäss: als ehrenrettung für die 2000 jahr lange geschichte christl. untaten (vor allem an den südamerikan indianern ) wird stets (wie das amen im gebet)die „wohlfahrt“der christl. kirche ins treffen geführt. er beschreibt auch ganz genau die verlogene art genau der kirchenkreise, die mit der wohklfahrt überhaupt nichts am hut haben! denn die wirklich in der kirche in der wohlfahrt, entwicklungshilfe arbeiten, die brauchen die mächtigen der kirche gar nicht, die fallen ihnen nur in den rücken und protzen mit einer leistung, die sie selbst NIE erbracht haben.. die wirklichen arbeiter und spender sind die kleinen leute, denen sind kreuze im klassenzimmer und missionierung auch schnurzegal, denen ist die stillung des hungers in der welt weit wichtiger.
Zustimmung Nicht immer bin ich Ihrer Meinung, doch als ich diesen Artikel gestern in der Presse las, war ich erfreut, dass etwas genau in dieser Form ausgesprochen wird.
Ich frage mich ja manchmal, was künftige Generationen an der katholischen Kirche der heutigen Zeit verdammen würden. Vermutlich das Kondomverbot angesichts der Aids-Zahlen. Aber darum geht es gar nicht. Es geht um diesen Allgemeinheitsanspruch, der das Kreuz für „alle“ als sinnfällig im positiven Sinn darstellen soll. Dass die Symbolik im Allgemeinen so verwendet wird, dass das schiefliegende Kreuz als Verbotszeichen gedeutet wird, ist wohl reiner Zufall.
Das Kreuz hat für mich als Katholiken durchaus eine Symbolwirkung. Doch ist Religion für mich Privatsache. Die öffentliche Dominanz sehe ich lediglich als politische Machtkundgebung an.
In einem gebe ich Valentin Zsifkovits Recht. Der Staat braucht die Religion. Wo er sie nicht braucht, benötigt man noch viel mehr Zirkusspiele, was teurer ist. Die Religion erhält sich sozusagen selbst und kann das Volk befrieden.